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Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)

Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)

Titel: Kind des Bösen: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Steve Mosby
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früher schon einmal die Polizei gerufen, denn solche Dinge kommen nicht aus heiterem Himmel. Gegen Gibsons Ex-Freund würde es einen Haufen Anzeigen geben und vermutlich auch Klagen. Irgendwann hatte sie ihm angedroht, ihn zu verlassen. Und da er der Typ Mann war, der er war, hatten sich die Wut und die Herabsetzung, die jeder in einer solchen Lage empfindet, um einiges ungezügelter und aggressiver entladen als bei den meisten.
    Aufgrund der vielen Fälle häuslicher Gewalt, mit denen ich es bisher zu tun gehabt habe, konnte ich mir diesen erbärmlichen Bastard sehr gut vorstellen. Wenn wir ihn schnappten, würde er vermutlich immer noch Vicki Gibson die Schuld für das in die Schuhe schieben, was ihr passiert war – selbst dann noch. In der festen Überzeugung, dass sie es war, die ihn herausgefordert hatte und sich das also selbst eingebrockt hatte.
    »Wir werden sehen«, sagte Laura.
    »Ja, klar.«
    Ich war mir meiner Sache sicher. Eine Beziehungstat wie aus dem Lehrbuch. Grausam und grässlich, in sich aber schlüssig und schnell gelöst.
    So musste es sein.
    Wie sonst?
    2
    S ie war nicht da, als ich aufgestanden bin«, sagte Carla Gibson.
    »Nein«, bemerkte Laura einfühlsam. »Ich weiß.«
    Die Wohnung, die sich zwei Generationen der Gibson-Familie teilten – bis zu diesem Morgen jedenfalls –, war so klein, dass sie schon durch die Anwesenheit von nur drei Personen aus den Nähten zu platzen drohte.
    Wir standen im Wohnzimmer, an das sich die Küche anschloss, wenn auch vor allem in dem Sinn, dass der fadenscheinige Wohnzimmerteppich dort aufhörte, wo ein Streifen schwarz gestrichener Fußbodendielen vor der Arbeitsplatte begann. Ich lehnte an der Wand gleich neben einem angerosteten, an der Wand montierten Heißwasserboiler und Rohren, die unverputzt von oben aus der Decke kamen, um unten in schmutzigen Löchern in den Fußbodendielen wieder zu verschwinden.
    Laura saß Carla an einem klapprigen Holztisch gegenüber, der, wie auch das übrige Mobiliar, ziemlich abgenutzt und schäbig war: dünnes, von vier Schrauben und einer guten Portion Hoffnung notdürftig zusammengehaltenes Balsaholz. Laura ließ sich behutsam nieder, als fürchtete sie, der Stuhl würde unter ihr nachgeben.
    »Ich bin ganz leise in die Küche gegangen, um Tee zu machen. Wissen Sie, ich gehe immer ganz leise, weil sie so viel arbeitet, und ich wollte sie schlafen lassen. Aber sie war gar nicht da.«
    »Ja, das wissen wir, Mrs. Gibson. Es tut mir wirklich leid.«
    Äußerlich wirkte die alte Dame gefasst, jetzt, nachdem das leichte Beruhigungsmittel Wirkung gezeigt hatte, das ihr die Krankenschwester vom medizinischen Dienst verabreicht hatte. Innerlich jedoch war sie immer noch aufgelöst – unsicher und zittrig. Sie sah uns kaum an, starrte stattdessen apathisch ins Leere, den Blick auf etwas Unsichtbares gerichtet, das sich jenseits der tristen Wände befand. Natürlich konnte das Medikament nicht ungeschehen machen, was passiert war, es vermochte aber zumindest den Schmerz zu lindern. Man sah ihr an, dass sie lange bittere Tränen geweint hatte und sich jetzt krampfhaft bemühte, dem Grauen des Verlustes, den sie erlitten hatte, aus dem Weg zu gehen.
    Außer dem Wohnzimmer gab es noch ein Bad und ein Schlafzimmer mit einem Bett, in dem Carla schlief. Vicki Gibson hatte hier geschlafen, auf dem Sofa. Es war fast auf Bodenhöhe, aber immer noch sorgfältig für die Nachtruhe bereitet, die Vicki Gibson nicht mehr bekommen hatte. Kissen und Decken waren ordentlich darauf verteilt und mit einer Patchworkdecke zugedeckt worden, die Carla, wie ich annahm, in mühevoller Handarbeit selbst genäht hatte.
    Das zu sehen tat weh – eine visuelle Bekräftigung, dass sie ihrer beklagenswerten Armut zum Trotz alles versuchten, das Beste daraus zu machen. Vicki arbeitete bis spät in die Nacht und fing nicht selten schon früh an: hin und wieder als Reinigungsfrau in einem Bürokomplex, dann Spätschichten im Waschsalon. Abend für Abend machte Carla ihrer Tochter das Bett auf dem Sofa fertig, und Morgen für Morgen räumte sie diese Decken ordentlich wieder weg, um aus dem behelfsmäßigen zweiten Schlafzimmer ein behelfsmäßiges Wohnzimmer zu machen.
    So ging es jeden Morgen, nur an diesem nicht.
    Und alles Übrige eben auch noch.
    »Dann habe ich hinausgesehen«, sagte Carla, »… und da lag sie.«
    »Sie müssen das alles nicht noch einmal erzählen, Mrs. Gibson.«
    »Nein, nein.«
    »Ich würde gerne über etwas anderes mit Ihnen
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