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Kind der Prophezeiung

Kind der Prophezeiung

Titel: Kind der Prophezeiung
Autoren: David Eddings
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möglich. Es ist wirklich schwer zu sagen.«
    »Ich habe immer gedacht, daß Zauberei mit langen Zaubersprüchen und seltsamen Zeichen und so etwas gemacht werden müßte«, sagte Garion.
    »Das sind die Methoden der Scharlatane und Schwindler«, sagte Wolf. »Sie machen großes Aufheben und beeindrucken und verängstigen damit einfache Leute, aber Sprüche und Beschwörungsformeln haben mit der wahren Sache nichts zu tun. Es liegt alles im Willen. Konzentriere deinen Willen und sprich das Wort, und es geschieht. Manchmal hilft eine Geste, aber sie ist nicht unbedingt notwendig. Deine Tante hat eine Neigung zu gestikulieren, wenn sie etwas geschehen läßt. Ich versuche seit Jahrhunderten, ihr diese Angewohnheit auszutreiben.«
    Garion blinzelte. »Jahrhunderte?« keuchte er. »Wie alt ist sie?«
    »Älter als sie aussieht«, antwortete Wolf. »Aber es ist nicht höflich, nach dem Alter einer Dame zu fragen.«
    Garion fühlte eine plötzliche, erschreckende Leere. Die schlimmsten seiner Befürchtungen hatten sich gerade bestätigt. »Dann ist sie gar nicht meine Tante, oder?« fragte er schwach.
    »Warum fragst du?« erkundigte sich Wolf.
    »Sie kann es nicht sein, oder? Ich habe immer gedacht, sie sei die Schwester meines Vaters, aber wenn sie Hunderte oder Tausende von Jahren alt ist, wäre das unmöglich.«
    »Du hast viel zu viel für dieses Wort übrig, Garion«, meinte Wolf. »Wenn du es richtig betrachtest, ist nichts – oder zumindest nur sehr wenig – unmöglich.«
    »Wie könnte sie? Meine Tante sein, meine ich?«
    »Also schön«, sagte Wolf. »Polgara war strenggenommen nicht die Schwester deines Vaters. Ihre Verwandtschaft zu ihm ist etwas komplexer. Sie war die Schwester seiner Großmutter, seiner entfernten Großmutter, wenn es so einen Ausdruck gibt, und deiner natürlich auch.«
    »Dann wäre sie meine Großtante«, sagte Garion mit einem Funken Hoffnung. Das war wenigstens etwas.
    »Ich weiß nicht, ob ich diese Bezeichnung in ihrer Gegenwart benutzen würde«, grinste Wolf. »Sie könnte beleidigt sein. Warum beschäftigt dich das alles so sehr?«
    »Ich hatte Angst, daß sie vielleicht einfach nur gesagt hätte, sie wäre meine Tante, und in Wahrheit gäbe es gar keine Verbindung zwischen uns«, sagte Garion. »Davor hatte ich schon seit einer Weile Angst.«
    »Warum hattest du davor Angst?«
    »Es ist schwer zu erklären«, antwortete Garion. »Verstehst du, ich weiß nicht wirklich, wer oder was ich bin. Silk sagt, ich sei kein Sendarer, und Barak sagt, ich sähe einem Rivaner ähnlich – aber nicht ganz. Ich habe immer gedacht, ich wäre ein Sendarer – wie Durnik – aber das bin ich vermutlich nicht. Ich weiß nichts über meine Eltern oder wo sie herkamen oder so etwas. Wenn Tante Pol nicht mit mir verwandt ist, habe ich niemanden auf der Welt. Dann bin ich ganz allein, und das ist sehr schlimm.«
    »Aber jetzt ist alles in Ordnung, nicht wahr?« sagte Wolf. »Deine Tante ist wirklich deine Tante – zumindest seid ihr vom selben Blut.«
    »Ich bin froh, daß du es mir gesagt hast«, sagte Garion. »Ich habe mir darüber Sorgen gemacht.«
    Greldiks Matrosen lösten die Taue und stießen das Schiff vom Kai ab.
    »Meister Wolf«, sagte Garion, da ihm ein merkwürdiger Gedanke gekommen war.
    »Ja, Garion?«
    »Tante Pol ist wirklich meine Tante – oder meine Großtante?«
    »Ja.«
    »Und sie ist deine Tochter?«
    »Das muß ich leider zugeben«, sagte Wolf und verzog das Gesicht. »Manchmal versuche ich, das zu vergessen, aber ich kann es nicht leugnen.«
    Garion holte tief Luft und platzte dann mit seiner Frage heraus. »Wenn sie meine Tante ist, und du bist ihr Vater«, sagte er, »würde dich das nicht zu einer Art Großvater von mir machen?«
    Wolf sah ihn verblüfft an. »Nun ja«, sagte er und lachte plötzlich, »ich glaube, irgendwie schon. Ich habe nie darüber nachgedacht.«
    Garion schossen auf einmal die Tränen in die Augen. Impulsiv umarmte er den alten Mann. »Großvater«, sagte er und probierte das Wort.
    »Nun, nun«, sagte Wolf, die Stimme seltsam belegt. »Was für eine bemerkenswerte Entdeckung.« Ungeschickt tätschelte er die Schulter des Jungen.
    Sie waren beide etwas durcheinander von Garions plötzlichem Zuneigungsbeweis und standen schweigend da und sahen zu, wie Greldiks Seeleute das Schiff in den Hafen hinausruderten.
    »Großvater«, sagte Garion nach einer Weile.
    »Ja, Garion?«
    »Was ist wirklich mit meinem Vater und meiner Mutter geschehen? Ich meine, wie
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