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Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)

Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)

Titel: Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
Autoren: Stephan Harbort
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Besuch im Werler Gefängnis abermals deutlich signalisiert, dass er von seinen phantastisch anmutenden Befreiungsszenarien verschont bleiben will, verfolgt Roland Bold genau dieses Ziel. Allerdings verwirft er die fixe Idee, den Gefängnisdirektor zu ermorden, und überlegt, Hans-Hermann Katte durch die Tötung einer Person aus seinem Bekanntenkreis freizupressen. Während der nächsten Monate verfestigt sich diese Vorstellung. Und als Roland Bold keinen Ausweg mehr sieht, sein verpfuschtes Leben in Ordnung zu bringen, nimmt das Drama seinen Lauf: Er tötet binnen weniger Stunden zwei ehemalige Freundinnen in deren Wohnungen und hinterlässt neben einer der Leichen einen Zettel: »Die Frauen sind nur gestorben, damit Ihr die Sache nicht als Spaß auffasst. Lasst Hans-Hermann Katte bis morgen 14 Uhr frei. Mit einer Geldsumme, die er für angemessen hält. Kommt ein Bild von mir im Fernsehen oder mein Name, bevor Hans-Hermann frei ist, stirbt zur Strafe ein Mensch mehr.« Eine Woche später ermordet Roland Bold einen homosexuellen Mann, der ihm auf der Flucht Unterschlupf gewährt hat, weil er glaubt, ihm nicht mehr vertrauen zu können. Am nächsten Tag stellt er sich der Polizei.
    Angesichts dieser Vita erkenne ich lediglich Fragmente eines verpfuschten Lebens, das in vergleichbarer Form recht häufig zu beobachten ist, ohne dass diese Menschen kriminell werden, geschweige denn zum Serienmörder. Worin besteht also der Unterschied? Wann und wodurch gerät man in Gefahr, den Respekt vor dem Leben anderer Menschen vollends zu verlieren? Wo genau ist die Grenze? Wo beginnt das Böse?
    Ich habe mich Roland Bold genähert und dabei in ein Spiegelkabinett geblickt. Mal hat er die Bestie gegeben, mal Mitleid mit einem seiner Opfer gezeigt und die Tat bereut, dann wieder seine soziale Frigidität betrauert, schließlich in bizarren Gewalt- und Tötungsphantasien geschwelgt, die er fraglos umsetzen würde, wenn er denn nur könnte. Nur vermag ich nicht sicher einzuschätzen, wann dieser Mann authentisch gewesen ist. Aber auch wenn der Erkenntnisgewinn begrenzt ist, so habe ich doch erfahren dürfen, wie es sich anfühlt, wenn ein Mensch sich von seinesgleichen entfernt und als böse gilt. Oder habe ich etwas übersehen? Oder falsch bewertet? Oder hat Roland Bold vielleicht sogar sein Ziel erreicht, sich interessant zu machen, Zweifel zu säen? Hat er mit seiner Bestialität nur kokettiert?
    Diesen Gedanken verwerfe ich jedoch wieder, schließlich sitzt ein verurteilter Serienmörder vor mir, der noch während des Strafvollzugs rückfällig wurde. Das sind unumstößliche Tatsachen. Alle anderen Eindrücke, die mir zu denken gegeben haben, basieren lediglich auf seinem Gehabe und Gerede.
    Und dann passiert es! Während der Unterhaltung, ganz plötzlich. Worüber wir zu diesem Zeitpunkt gesprochen haben, weiß ich heute nicht mehr. Jedenfalls versucht Roland Bold sich erstmals ein Lächeln abzuringen. Was sich dann aber in seinem Gesicht abzeichnet, kann ich mit Worten nur unzureichend beschreiben: fratzenhaft, gemütsarm, seelenlos, feindselig. Man muss es selbst gesehen und gespürt haben, um die Aura des Bösen verinnerlichen zu können.
    Zum ersten und bislang zum letzten Mal bekomme ich ein Gefühl für das Böse. Ich bin entsetzt. Es kommt mir vor wie ein fremdartiges und bedrohliches Ding aus einer anderen Welt. Ich fühle mich beäugt und bedroht. Und es macht mir Angst, obwohl es doch so harmlos erscheint: ein Lächeln.
    Die folgenden anderthalb Stunden bringen durchweg nur Wiederholungen dessen, was Roland Bold mir bereits gesagt hat. Wir drehen uns im Kreis. Hier und da schmückt er seine Phantasien ein wenig aus, dramatisiert wortreich. Offenbar reichen ihm meine bisher eher verhaltenen Reaktionen und nüchternen Rückmeldungen nicht aus, vermutlich wünscht er sich mehr Entsetzen in meinen Augen, um sich bestätigt zu sehen. Offensichtlich ist es mir gelungen, meine Anspannung zu verbergen. Wenigstens das.
    Auch mein letzter Versuch, mit ihm über die Taten und den motivischen Hintergrund zu reden, scheitert kläglich. Ich beiße auf Granit. Punktsieg für Roland Bold. Nach sieben Stunden permanenter Aufmerksamkeit und Aufgeregtheit habe ich genug gehört und gesehen. Und es gibt noch einen anderen Grund, das Gespräch zu beenden: Ich muss dringend auf die Toilette.
    Die Verabschiedung verläuft friedlich und freundlich. Ein Vollzugsbeamter bringt mich zum Aufenthaltsraum der Justizbediensteten. Dort unterhalte ich
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