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Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)

Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)

Titel: Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
Autoren: Stephan Harbort
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begegnen, es kennenzulernen, vielleicht sogar zu verstehen. Viele Serienmörder habe ich aus diesem Grund persönlich getroffen. Doch »Monstern« bin ich nicht begegnet, vielmehr überwiegend zurückhaltenden, eher selbstunsicheren, introvertierten und ängstlichen Menschen, vorrangig Männern.
    Lediglich in einem einzigen Fall hatte ich tatsächlich das Gefühl, mit einem bösen Menschen konfrontiert zu werden. Dieses Gefühl hat nicht der Mann selbst in mir ausgelöst, auch nicht sein Aussehen oder sein Verhalten oder seine Aussagen. Es war etwas, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte und das ich wohl mein Leben lang nicht vergessen werde, nicht vergessen kann. Es hat sich förmlich in mein Bewusstsein eingebrannt.
    Die Sache passiert im Herbst des Jahres 1997 im Hochsicherheitstrakt einer Justizvollzugsanstalt. Roland Bold, mein Gesprächspartner, hat binnen sieben Tagen drei Menschen getötet, zwei Frauen und einen Mann, erschlagen, erdrosselt, erstochen. Erbarmungslos. Skrupellos. Reuelos. Die Warnung des Vollzugsbeamten, der mich vor anderthalb Stunden zum Besuchsraum gebracht hat, hallt in meinem Kopf nach: »Passen Sie bloß auf, der Mann ist immer noch gefährlich.«
    Zu dieser Einschätzung hat sicher beigetragen, dass Roland Bold etwa fünfzehn Jahre in Einzelhaft verbringen musste, nachdem er zwei Mithäftlinge angegriffen und beinahe getötet hatte. Für diese Mordversuche erhielt er weitere zwölf Jahre Haft. Mein Gegenüber erscheint mir nicht nur unberechenbar, er ist es. Erst recht, nachdem sein Gnadengesuch abgelehnt wurde. Endstation Knast.
    Ich bin der einzige Mensch, der in den letzten Jahren als Besucher den Weg in seine Zelle gefunden hat. Und das kam so: Ich erkundigte mich bei der Staatsanwaltschaft, ob ich Einsicht in die Verfahrensakten erhalten könne. In dem Ablehnungsschreiben wurde darauf hingewiesen, dass auch die Einwilligung des Gefangenen vorliegen müsse. Darum schrieb ich Roland Bold einen längeren Brief und erklärte ihm, dass ich im Rahmen eines Forschungsprojekts vornehmlich über die Gerichtsakten zu einem tieferen Verständnis seiner Person und seiner Taten kommen wollte.
    »Sehr geehrter Herr Harbort«, antwortete er mir, »unser Anstaltspsychologe Dr. Giebeln las Ihr Schreiben auch! Bat um Ihre Adresse, wollte schreiben … 650 Seiten meines maschinengeschriebenen Skripts liegen in der Uni Saar. Ging damals an Prof. Dr. Hermann Freund. Vielleicht stehe ich heute neben den Schuhen, bleiben trotzdem zwanzig Jahre ›Fachwissen‹. Selbst Freund, Cornelsen (Psychiater) und Brandt (Psychiater) – ewig derselbe Grundfehler im Denken. Bei Interesse besuchen Sie mich für ein Gespräch?! Weiterhin gutes Gelingen, Roland Bold.«
    Eigentlich hatte ich es ganz und gar nicht auf ein Gespräch mit diesem hochpathologischen und hochgefährlichen Gefangenen abgesehen. Da mir aber die Staatsanwaltschaft erneut Akteneinsicht verweigert hatte, obwohl Roland Bold diesbezüglich schriftlich eingewilligt hatte, wollte ich notgedrungen vom vermeintlichen »Fachwissen« dieses Mannes profitieren. Ein Himmelfahrtskommando? Schließlich machte Roland Bold in letzter Zeit kein Hehl daraus, bei passender Gelegenheit eine »grandiose Abschiedsvorstellung« geben und seine Todesliste lückenlos abarbeiten zu wollen, auf der viele Namen stünden, allen voran der des Anstaltsleiters.
    In den ersten anderthalb Stunden des Interviews haben wir uns abgetastet wie zwei Boxer, die sich zu Beginn des Kampfes erst einmal belauern, um nicht gleich ins offene Messer zu laufen. Seine Schilderungen sind lückenhaft, geprägt von ständigen Gedankensprüngen. Manchmal hat er mitten im Satz abrupt aufgehört zu erzählen und mich prüfend angeschaut. Als müsste er für sich klären, inwiefern ich seiner überhaupt würdig war.
    Als ich ihn das erste Mal bitte, etwas über seine Taten zu erzählen, wehrt er barsch ab: »So weit sind wir noch nicht. Das müssen Sie sich erst verdienen!« Seine schneidende Fistelstimme lässt mich frösteln. Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust, mir von diesem Kerl seinen Willen aufzwingen zu lassen. Dieses psychopathische Gehabe nervt. Doch will ich von ihm Informationen aus erster Hand erhalten und muss mich wohl fügen. Eins zu null für Roland Bold.
    Ungefragt schwelgt er wortreich in bizarren Sexual- und Gewaltphantasien, die von ausgesprochen unappetitlicher Sodomie bis Kannibalismus an seinen Sexualpartnerinnen reichen, wobei er immer wieder unvermittelt
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