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Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)

Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)

Titel: Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
Autoren: Stephan Harbort
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über den Wert eines Menschenlebens reden und über die Menschen, die anderen Menschen das Leben nehmen. »Das Töten von Menschen ist mitunter eine Frage der Dimensionen«, will er mir weismachen. »Man bedenke, dass ab etwa 10 000 Toten der Verantwortliche sogar gute Chancen hat, als Volksheld gefeiert zu werden!« Ich verschließe mich dieser diffusen Dialektik und vermeide eine Diskussion. Ich will diesen Mann und seine manipulativen Gedanken keinesfalls in meinen Kopf lassen. Also darf er weiter schwadronieren, bis er die pathologische Lust an sich selbst verliert.
    Als er merkt, dass ich ihm partout nicht folgen will, hebt er das Buch »Strafvollzug und Resozialisierung« hoch, das ich ihm mitgebracht habe, und sagt: »Ich bin vom Strafvollzug enttäuscht. Die Leute sind doch gefährlicher als vorher, wenn sie wieder rauskommen.« Die Unterbringung in einem Gefängnis empfinde er als Demütigung, besonders schlimm sei der Entzug von Sexualität. »Ich bin doch kein Tier«, echauffiert er sich.
    Als er das zweite Mal aufs Klo geht, reagiere ich schon etwas gelassener und nutze die Gelegenheit, wieder Notizen zu machen und Zitate aufzuschreiben. Ich würde auch gerne die Toilette aufsuchen, doch erscheint mir die Sache zu riskant. Mein Bauchgefühl rät mir, besser im Besuchsraum zu bleiben. So habe ich das Gefühl, die Szenerie wenigstens hier einigermaßen vernünftig einschätzen zu können. Würde ich den Raum verlassen, ergäben sich für ihn Möglichkeiten, mich – womit auch immer – zu überraschen. Schließlich hat er auch mir ganz unverhohlen und mit sichtlicher Freude von seiner beabsichtigten »Abschiedsvorstellung« erzählt: »Ich habe keine Generalprobe. Wenn ich hier was mache, dann muss es sofort funktionieren. Mir reicht es nicht, einen von den Jägermeistern (= Justizvollzugsbeamte) zu killen, nein, drei oder besser fünf müssen es schon sein. Da sind noch einige Rechnungen offen!«
    Als wir auf seine soziale Rolle in der Zeit vor den Morden zu sprechen kommen, zeigt Roland Bold sich wieder von seiner zugänglichen Seite. »Ich hatte mein Leben lang niemanden, dem ich vertrauen konnte«, sagt er missmutig. Er habe zwar viele Freunde und Bekannte im Milieu gehabt, sich aber stets nur ausgenutzt gefühlt. Niemand habe sich wirklich für ihn interessiert oder sei auf ihn eingegangen. Unter dieser latenten Ausgrenzung habe er sehr gelitten und sich gewünscht, mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, »als Mensch gezählt zu werden«.
    Unvermittelt kehrt Roland Bold zu einem Thema zurück, das wir schon behandelt haben. Er beschreibt mir in allen Einzelheiten, wie er ein junges Mädchen fängt, fesselt, foltert, schließlich grausam ermordet und den Leichnam verspeist. »Wenn man keine Frauen hat«, erklärt er mir, »dann ist der Wunsch groß, sie zu fressen.«
    Ich spüre, dass ich mich vor diesem Mann ekle. Ab und an wirft er bei seinen unsäglichen Schilderungen den Kopf in den Nacken und atmet einmal tief ein und aus. Ist das eine Drohgebärde? Platzhirschgehabe? Oder möchte er mir einfach nur vor Augen führen, wer hier die Hosen anhat?
    Ich komme noch einmal auf seine bizarren Phantasien zurück und möchte wissen, worin der Reiz besteht, sich in dieser Parallelwelt zu verlieren.
    »Verstehen Sie das denn nicht?«, antwortet er energisch. »Ich bin doch schon lange tot. Und ich weiß, dass ich hier krepieren werde. Da bleibt doch nichts mehr. Da ist nur noch der Tod. Ich bin tot!«
    Wer ist eigentlich dieser Roland Bold, überlege ich. Was für ein Mensch sitzt da vor mir? Was an ihm ist böse, was gut? Während er mir enthusiastisch von den Problemen mit dem Anstaltspersonal erzählt, die mich nicht sonderlich interessieren und auch nichts angehen, rufe ich mir das Ergebnis meiner Recherchen zum Lebensweg dieses Mannes in Erinnerung:
    Roland Bold wird am 14. März 1950 als einziges Kind von Klaus Bold, einem Polizeibeamten, und seiner Frau Hertha in München geboren. Die Ehe ist von Beginn an insbesondere durch Klaus Bolds Jähzorn und seine außerehelichen Eskapaden schwer belastet gewesen. Roland ist kein Wunschkind, seine Mutter hat sich aber dem väterlichen Wunsch, das Kind abtreiben zu lassen, widersetzt.
    Klaus Bold behandelt seinen Sohn schlecht. Roland erfährt selten Zuneigung, dafür wird er häufig derb beschimpft und geschlagen. Roland lässt die väterlichen Schikanen und Wutausbrüche über sich ergehen, ohne aufzubegehren. Die Mutter versucht die väterliche Abneigung durch
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