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Kill Whitey

Kill Whitey

Titel: Kill Whitey
Autoren: Ueberreuter
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Schatten zwischen den mächtigen Stämmen erinnerten mich an unsere Flucht durch den Abwasserkanal. Ich fragte mich, wohin Sondra verschwunden sein mochte und ob es ihr gut ging. Wahrscheinlich wimmelte es in dem Holzbetrieb mittlerweile vor Polizei. Hatte man sie gefasst, oder war sie entkommen? Vielleicht folgte sie mir. Ich hoffte nicht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hatte die Frau in dem Ford Taurus mit ihrem Handy die Polizei angerufen. Ich blickte in den Rückspiegel, konnte jedoch keine Anzeichen von Verfolgung erspähen.
    Whiteys Kopf sackte nach vorn. Seine Lider flatterten zweimal, dann schlossen sie sich. Er öffnete sie nicht mehr.
    »He«, brüllte ich. »Wach auf. Wir sind fast da.«
    Plötzlich ertönte über uns ein lautes Krachen. Ich zuckte auf dem Sitz zusammen. Meine Finger umklammerten das Lenkrad, mein Fuß rutschte vom Gaspedal. Sofort verlangsamte der Gabelstapler die Fahrt. Ich beschleunigte wieder und sah mich danach um, woher der Schuss gekommen sein mochte. Dann hallte dasselbe Geräusch erneut durch den Park, und ich begriff, dass es sich nicht um Schüsse, sondern um Donner handelte. Das Unwetter näherte sich.
    Der Lärm weckte Whitey. Er schlug die Augen wieder auf und sah sich um, als wäre er unsicher, wo wir uns befanden. Dann fiel sein Blick auf mich, und er verengte die Augen zu Schlitzen.
    Mein Magen flatterte.
    In der Nähe des Sees befand sich ein Parkplatz. Ich hatte erwartet, einige Schwimmer oder Angler anzutreffen, vielleicht sogar Segler oder Camper. Stattdessen präsentierte sich alles verwaist. Zwischen dem Parkplatz und dem Ufer stand eine kleine Hütte. Auf dem Dach war eine riesige Eistüte aus Spanplatten festgenagelt. Ein großes Schild warb für Eis, Pizza, Pommes frites, Hotdogs und kalte Getränke, aber die Tür war verriegelt, und vom Fenster des Ladentischs baumelte ein weiteres Schild mit der Aufschrift Geschlossen .
    Der Himmel verfinsterte sich. Erneut grollte Donner. Etwas Kaltes platschte auf meine verbrannte Kopfhaut, dann noch einmal. Dicke Regentropfen prasselten auf den Gabelstapler. Blitze zuckten über den Horizont und durchschnitten die Wolken, bevor sie irgendwo tief im Wald einschlugen.
    Ich fuhr an der Imbissbude vorbei in einen grasbewachsenen Bereich, der kürzlich gemäht worden war. Die Grasschnipsel waren noch frisch. Ich sah mich erneut um, hielt Ausschau nach einem Parkverwalter, aber wir waren allein.
    Irgendwie erschien mir das passend. Es fühlte sich richtig an.
    Am Ufer gab es einen Bootssteg aus Beton und ein langes Pier aus Holz, das sich in den See hinauserstreckte. Ich zog beides in Erwägung und steuerte schließlich nach kurzer Überlegung auf das Pier zu. Die Pfeiler bestanden aus Telefonmasten, die Bohlen wirkten dick und robust. Das Gebilde sah rundum solide aus. Ich war sicher, dass es das Gewicht des Gabelstaplers tragen würde.
    Klappernd rollten wir auf das Pier hinaus. Es ächzte zwar unter uns, hielt aber stand. Ich nahm den Fuß vom Gaspedal und stieg stattdessen auf die Bremse, verlangsamte unsere Fahrt. Der Regen wurde heftiger. Ein weiterer lauter Donnerschlag erschütterte den Himmel, und ich zuckte instinktiv zusammen. Mein Puls beschleunigte sich. Ich verspürte zugleich Angst und Erregung. Unwillkürlich fragte ich mich, was Whitey empfinden mochte, aber er hatte die Augen wieder geschlossen und rührte sich nicht.
    Regentropfen prasselten auf die Oberfläche des Sees ein, ließen Tausende konzentrische Ringe entstehen. Weitere Blitze zuckten über den Himmel. Am Rand des Piers hielt ich den Gabelstapler an. Die Gabel ragten über das Wasser. Der See war an dieser Stelle tief, mindestens viereinhalb Meter. Weiter draußen, so hatte ich gehört, war er noch tiefer, außerdem gab es Schlucklöcher im Grund, die angeblich zu Unterwasserhöhlen führten. Hätte mich nicht überrascht. Das mittlere Pennsylvania war übersät von Kalksteinhöhlen und alten Minenstollen. Zwischen Spring Grove und Hanover gibt es ein altes Erzbergwerk, das angeblich unendlich tief ist. Gerüchten zufolge spukte es dort. Das war natürlich Blödsinn, aber im Lauf der Jahre waren dort schon Menschen ertrunken, und ihre Leichen wurden nie gefunden.
    Der Motor schnurrte im Leerlauf. Ich drehte mich um und überprüfte den Füllstand der Propangasflasche, wischte Regenwasser von der Anzeige, um sie ablesen zu können. Der Tank erwies sich als fast leer, doch das spielte keine Rolle. Wir hatten unser Ziel erreicht, weiter würden wir nicht
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