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Kill Whitey

Kill Whitey

Titel: Kill Whitey
Autoren: Ueberreuter
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den Gabeln, wo er zuckte und zitterte wie ein Schmetterling unter der Nadel eines Sammlers.
    Die Höchstgeschwindigkeit des Gabelstaplers betrug dreißig Stundenkilometer. Ich gab weiter Vollgas und drängte das Ding leise, schneller zu fahren. Für mich bestand kein Zweifel daran, dass es Leon gelungen war, die Polizei herzurufen. Noch vor wenigen Minuten hatte ich mir gewünscht, dass sie aufkreuzen würde. Nun nicht mehr. Nicht, bevor ich mit Whitey fertig war und sich Sondra samt dem Baby endgültig in Sicherheit befand.
    Nicht, bevor ich meine Rache bekommen hatte.
    Mein Grinsen fühlte sich wild an, als verzerre es mein Gesicht in etwas Unkenntliches.
    Unterwegs hielt ich im Rückspiegel nach Streifenwagen oder sonstigen Einsatzfahrzeugen Ausschau, aber die Straße präsentierte sich verwaist, abgesehen von einem Auto, das sich von hinten schnell näherte. Ich schwenkte zur Seite der Straße, wo der Untergrund noch holpriger wurde. Whitey wurde umso heftiger durchgeschüttelt. Das Auto, ein beigefarbener Fort Taurus, weigerte sich, mich zu überholen. Stattdessen verlangsamte der Fahrer und drückte auf die Hupe.
    »Fahr vorbei!«, brüllte ich, ohne zurückzuschauen.
    Der Gabelstapler ruckte und zitterte, und ich wurde allmählich besorgt darüber, dass Whitey von den Gabeln rutschen könne. Sie waren zwar immer noch geneigt, aber es bestand die Möglichkeit, dass sich das Gewicht des Russen plötzlich zur Seite verlagerte. Sollte das geschehen, würden die Gabeln seinen Rumpf durchtrennen. Vielleicht würde ihn das allein umbringen, aber ich hatte nicht vor, ein Risiko einzugehen. Nicht jetzt, wo ich ihn gefangen und hilflos hatte. Wir waren zu nah an einem unwiderruflichen Ende.
    Der Taurus hupte erneut. Wiederum ohne zurückzuschauen, winkte ich den Fahrer vorbei. Statt mich zu überholen, folgte er mir so dicht, dass die Stoßstange des Wagens fast das Heck des Gabelstaplers berührte. Ich warf einen Blick nach hinten. Mittlerweile befand sich das Auto so nah, dass ich die Insassen erkennen konnte. Der Fahrer war ein kahl werdender Weißer mittleren Alters mit einer Brille und einem breitkrempigen, tief in die Stirn gezogenen Sonnenhut. Eine Frau, vermutlich seine Gattin, saß neben ihm und gestikulierte wild. Danach zu urteilen, wie weit ihr Mund geöffnet war und wie schnell sich die Lippen bewegten, brüllte sie ihn an. Auf dem Rücksitz wackelten zwei kleine Köpfe, die wahrscheinlich ihren Kindern gehörten und versuchten, einen besseren Blick auf den Verrückten mit dem Gabelstapler zu erhaschen. Der Fahrer hupte abermals, diesmal kräftiger – lang anhaltend und laut. Dann blinkte er mich mit den Scheinwerfern an.
    »Was soll ich tun?«
    Weder Whitey noch der Fahrer antworteten mir – womit ich natürlich auch nicht gerechnet hatte.
    Ich konnte nicht beiseite fahren und anhalten. Unmöglich. Der Holzbetrieb und die Felder lagen hinter uns, und mittlerweile wand sich die Straße durch den Wald. Die Bäume wuchsen dicht an die Fahrbahn heran; der Straßenrand bot keinen Platz für den Gabelstapler. Wichtiger noch, hielte ich an oder verlangsamte ich die Fahrt, würde ich nur Whiteys Fluchtchancen erhöhen. Sicher, im Augenblick hing er nur schlaff und gepfählt auf den Gabeln, aber ich ließ mich nicht hinters Licht führen. Diese List kannte ich schon. Der Mann, der nicht sterben konnte, stellte sich tot. Sobald er eine Gelegenheit erkannte, würde er sie nützen, und jemand anders würde wegen meiner Dummheit sterben.
    Nein, gelobte ich mir. Diesmal nicht.
    Ich streckte einen Arm hinaus und winkte den Taurus erneut vorbei. Diesmal verstand der Fahrer den Fingerzeig. Er beschleunigte, schwenkte auf die Gegenfahrbahn und fuhr in großem Bogen am Gabelstapler vorbei. Als er auf selbe Höhe mit uns war, verlangsamte er die Fahrt wieder. Alle vier Familienmitglieder starrten voll Grauen auf uns. Die Frau hielt sich ein Mobiltelefon ans Ohr, aber ihr Mund stand offen, und die Lippen bewegten sich nicht. Auf den Gesichtern der Kinder zeichnete sich blankes Grauen ab. Es waren zwei – ein Junge und ein Mädchen. Das Mädchen hatte Zöpfe, der Junge einen Finger in der Nase. Anscheinend war er so entsetzt über das, was er sah, dass er den Finger völlig vergessen hatte.
    Whitey rührte sich wieder. Er hob einen Arm und winkte ihnen zu. Der kleine Junge zog den Finger aus der Nase und winkte zurück. Whiteys Miene verzog sich zu einem schauerlichen Lächeln, das durch seine zahlreichen Verletzungen umso
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