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Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe

Titel: Kettenreaktion - Die Geschichte der Atombombe
Autoren: Hubert Mania
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    Ihr Hochzeitskleid bekommt Marya Sklodowska von einer Verwandten geschenkt. Schwarz und schlicht wünscht sie es sich, damit sie es später als Laborkittel auftragen kann. Denn auf dem dunklen Stoff fällt der ständig vom Hof hereinwehende Kohlenstaub nicht weiter auf. Die junge Frau aus Warschau hat als Dienstmagd und Gouvernante bei feinen Leuten in der polnischen Provinz für einen Hungerlohn gearbeitet und ihre intellektuellen Fähigkeiten verleugnen müssen. Doch mit Selbstdisziplin und Hartnäckigkeit hat sie es schließlich bis an die Sorbonne geschafft. Sie studiert Physik, Mathematik und Chemie und lernt Pierre Curie kennen, der sich auf Anhieb in die etwas spröde, ehrgeizige Frau mit dem traurigen Blick verliebt.
    Curie unterrichtet an der Hochschule für Industrielle Physik und Chemie in Paris und verdient nicht viel mehr als ein Arbeiter. Aber das kümmert Marie nicht. Sie ist Geldnot gewohnt und weiß, wie man mit knapper Kasse über die Runden kommt. Zur Hochzeit verzichtet das junge Paar sogar auf den Luxus von Ringen. Madame und Monsieur Curie lassen sich Geld schenken und erfüllen sich einen Traum: Sie kaufen neue Fahrräder und unternehmen ausgedehnte Landpartien. Noch im Sommer 1897 steigt die im achten Monat schwangere Marie aufs Rad, um ihren Pierre auf einen Ausflug nach Brest zu begleiten. Doch sieht sie nach ein paar Kilometern ein, dass sie mit dieser rigorosen Schwangerschaftsgymnastik vielleicht doch eine Spur zu forsch unterwegs ist.
    Ihre Tochter Irène ist gerade drei Monate alt, da beginnt Marie Curie im Dezember 1897 mit den ersten Untersuchungen der Becquerelstrahlen. Aber sogar im liberalen Paris wollen Professoren und Institutsleiter eines nicht verstehen: Warum ausgerechnet eine junge Mutter, die sich doch in erster Linie um ihr Kleinkind kümmern sollte, den Ehrgeiz entwickelt, eine Dissertation zu schreiben. Bisher hat noch keine europäische Universität einer Frau einen Doktortitel verliehen. Pierres Chef überlässt ihr einen kleinen, verglasten Werkraum im Erdgeschoss des Hochschulgebäudes. Ein bisschen feucht und zugig ist es hier zwar, aber über solche Kleinigkeiten beklagt sich die genügsame Doktorandin nicht.
    Zunächst einmal wiederholt sie Becquerels Versuche und bestätigt seine Ergebnisse. Er hat ja bereits eine weitere wichtige Eigenschaft der Uranverbindungen festgestellt: Die von ihnen ausgehenden Strahlen machen die Umgebungsluft elektrisch leitfähig. Mit einem von Pierre erfundenen Apparat, einem speziellen Elektrometer, misst sie jetzt die elektrisierte Luft über der jeweiligen Uranprobe und kann daraus indirekt auf die Strahlungsaktivität schließen. So hat sie mit der Stromstärke ein einfaches Maß für die Strahlungsaktivität ihrer Uranpräparate gefunden. Äußere Umstände wie die heftigen Temperaturschwankungen in Maries Arbeitsraum, die Luftfeuchtigkeit sowie künstliche oder natürliche Beleuchtung haben keinerlei Einfluss auf die Höhe der Strahlungsaktivität. Den mit Abstand stärksten Stromfluss misst sie bei Pechblendenproben aus dem sächsischen Johanngeorgenstadt, dicht gefolgt von denen aus dem böhmischen St. Joachimsthal.
    Eine weitere wichtige Beobachtung erregt ihre Aufmerksamkeit. Ob sie nun die Substanzen extremer Hitze oder Kälte aussetzt, ob sie Uran als Oxid, Salz oder Phosphat in wässriger Lösung, als Klumpen oder in Pulverform untersucht, spielt bei der Ermittlung der Strahlung keine Rolle. Sie kann daher keine Eigenschaft der jeweiligen Verbindung sein, sondern muss direkt mit dem Element Uran zusammenhängen. Denn je größer der Urananteil der Substanz ist, desto intensiver ist die Strahlung. Sie lässt sich auch nicht beseitigen. Weder durch aggressive Chemikalien, noch durch starke elektrische Entladungen. Jetzt will Marie Curie systematisch vorgehen und alle bekannten chemischen Elemente des Periodensystems untersuchen. Dafür plündert sie erst einmal die Mineraliensammlung von Pierres Fachhochschule. Dabei stellt sie fest, dass auch Verbindungen, die das Element Thorium enthalten, Strahlung abgeben und die Luft elektrisieren. Um künftig eine gemeinsame Bezeichnung für die Strahlungsstärke von Uran und Thorium zu haben, prägt Marie Curie den Begriff «Radioaktivität».
    Nach dieser bedeutsamen Entdeckung im Frühjahr 1898 stößt sie beim Messen zweier Uranmineralien auf einen seltsamen Umstand. Die Strahlung der Pechblende übertrifft nämlich die des reinen Urans um das Vierfache. Auch wenn
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