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Ketten der Liebe

Ketten der Liebe

Titel: Ketten der Liebe
Autoren: Christina Dodd
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Anfang an hatte Miss Victorine kein gutes Gefühl bei Amys Plan gehabt, und jetzt, da der Stein ins Rollen gebracht war, fürchtete sie, die Schlinge an ihrem Hals zu spüren.
    »Tot nützt er uns nichts«, erklärte Amy der Dame zum hundertsten Mal. »Lösegeld können wir nur verlangen, wenn er lebt. Außerdem, hören Sie nicht, wie er schnarcht?«
    Miss Victorine kicherte nervös. »Kommt das von ihm? Ich dachte, das wäre Pom, der beim Rudern schnauft.« Dann senkte sie verschwörerisch die Stimme, als ob jemand sie belauschte, und fragte: »Haben Sie den Brief hinterlassen?«
    »Natürlich.« Mit Genugtuung dachte Amy an die scharfe Klinge, die nun in der sorgsam formulierten Lösegeldforderung steckte. Sie fragte sich, wann die Dienerschaft das Schreiben finden mochte. Ihrer Schätzung nach würde es nur einen Tag dauern, bis der Zettel in die Hände von Mr. Harrison Edmondson gelangte. Zwei Tage später wäre das Geld bereits unterwegs zu der vereinbarten Übergabestelle - die alte Burgruine auf der Insel Summerwind.
    Amy gefiel die Vorstellung, dass die Geldsumme ausgerechnet zu dem alten Stammsitz der stolzen Edmondsons gebracht würde. Noch besser gefielen ihr die unzähligen Gänge unterhalb der Burg, die es ihr ermöglichten, das Geld unbemerkt zu holen.
    Die Wellen erfassten das Boot und hoben es auf den Strand. Sowie die Planken über den Sand knirschten, hielt Amy den Atem an. Sie hatten es fast geschafft!
    Pom sprang ins Wasser und zog das Boot ganz auf den Strand. Mit Amys Hilfe hievte er sich den in Leinwand eingeschlagenen Körper auf die Schulter.
    Miss Victorine gab einen wimmernden Laut von sich, als Lord Northcliff wieder leise stöhnte. »Hört sich ganz so an, als leide er Schmerzen, der Arme«, rief sie besorgt.
    Der Fischer stieg sicher über den Bug und betrat den Strand. »Machen Sie bitte mein Boot fest, Miss Rosabel«, rief er Amy über die Schulter zu.
    Amy sprang auf den Strand, packte das Seil am Bug und befestigte es oberhalb der Flutlinie an einem Holzpflock. Als sie kurz darauf Miss Victorine beim Aussteigen behilflich war, sagte die ältere Dame: »Ich hoffe doch sehr, Lord Northcliff zürnt uns nicht.«
    Amy vermutete, dass er mehr als zornig sein würde. Sicher wäre er außer sich vor Wut. Ein wohlhabender, einflussreicher Mann würde sich nicht kampflos in seine Hilflosigkeit ergeben. Und ein Mann, der so von seinen Reichtümern besessen war, dass er sogar einer alten Frau eine Erfindung entwendete, würde ganz gewiss vor Wut kochen, wenn er sich gezwungen sah, sich von einem bescheidenen Teil seines unverschämt großen Vermögens zu verabschieden.
    Amy grinste. So bescheiden war die Summe nun auch wieder nicht.
    Doch das sagte sie in Miss Victorines Gegenwart nicht. Stattdessen erklärte sie: »Sie müssen zugeben, dass es nur gerecht ist, Lösegeld für einen Mann zu verlangen, der Ihnen Ihre Idee gestohlen hat.«
    »Ja. Ja, das weiß ich, meine Liebe, und Sie haben recht. Aber die Sprotts leben seit Generationen in meinem Haus, und immer mit der Erlaubnis des Marquess von Northcliff. Und schließlich entspricht das, was wir tun, nicht gerade der feinen englischen Art - wenn wir Lord Northcliff entführen, meine ich.«
    »Der Marquess ist doch nichts als ein aufgeblasener Schurke, der von uns Pacht für ein armseliges, verfallenes Haus verlangt. Nicht einmal die Kühe würden dort freiwillig einziehen.«
    »Mir gefällt mein Haus.«
    »Das Dach ist undicht.«
    »Das schafft eine besondere Atmosphäre.«
    »Mit Verlaub, Miss Victorine, das ist keine Atmosphäre, das ist Regen.«
    »Wenn Sie das Boot dann sichern würden, Miss Rosabel«, mischte sich Pom ungeduldig ein. »Seine Lordschaft wird nicht gerade leichter.« Mit dieser leisen Anklage schritt er durch die Dunkelheit auf das baufällige Haus zu.
    Miss Victorine folgte ihm.
    Amy nahm den Mantel mit und ging ebenfalls über den Weg, der sich über die kargen, nur mit Gras bewachsenen Anhöhen der Insel Summerwind schlängelte.
    Bei Tageslicht war es ein hübsches, idyllisches Eiland mit Bäumen und Kühen. Das Dorf lag in einer Bucht am Strand. Sprott Hall stand in einer Senke, umgeben von einem Obstgarten. Den höchsten Punkt der Insel beherrschte die verfallene Burg, eine düstere Ansammlung von ungeordneten grauen Steinen.
    Einst war Sprott Hall ein schönes, weiß verputztes Haus gewesen. Tagsüber konnte man die Rosen bewundern, die an dem Gitterwerk der Tür hochrankten - man sah aber auch die verblichene grüne
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