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Ketten der Liebe

Ketten der Liebe

Titel: Ketten der Liebe
Autoren: Christina Dodd
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für die Ankunft des Marquess entsprechend zu kleiden, ganz so, als wäre er ein hoher Gast und kein Gefangener. Daher trug sie ihren edelsten scharlachroten Mantel, dessen Kragen ein Hermelinfell zierte. Der schnurrende Kater, der immer noch über ihrer Schulter lag, verlieh ihrer Erscheinung eine zusätzliche Eleganz. Das weiße, immer noch volle Haar hatte sie zu einer Frisur arrangiert, die vor einem halben Jahrhundert in Mode gewesen war, und mit Amys Hilfe hatte sie ihren faltigen Wangen und bleichen Lippen einen Hauch von Rot verliehen. Ein samtener Schönheitsfleck zierte ihre Oberlippe, und die grauen Brauen hatte sie zu einem dünnen Strich gezupft. Augenblicklich entwickelte sie die rege Tätigkeit einer Gastgeberin. Sie entzündete den Docht einer Kerze und legte Kohlen in dem kleinen eisernen Ofen nach.
    Pom zog dem Marquess die Stiefel aus, sodass die in weißen Strümpfen steckenden Füße schlaff über die Bettkante hingen.
    Dann legte Amy Seiner Lordschaft mit großer Präzision die Fesseln am Fußknöchel an und ließ das Schloss einrasten. Sowie sie das charakteristische Geräusch des Metalls vernahm, wich sie unwillkürlich einen Schritt zurück, denn sie verspürte ein Kribbeln, das an ihren Armen hinauflief. »So«, versuchte sie sich selbst Mut zuzusprechen, »jetzt kann er sich nicht mehr befreien.«
    »Du liebe Güte.« Miss Victorine hielt die Kerze ein wenig schief, sodass Wachs auf den Boden tropfte. »Du liebe Güte.«
    Pom faltete das Segeltuch zu einem Bündel zusammen und verbeugte sich vor Miss Victorine. »Ich überlasse Ihnen dann Seine Lordschaft, Miss Sprott. Rufen Sie mich, wenn Sie Hilfe brauchen.«
    Miss Victorine hatte ihre Fassung wieder. Rasch hielt sie die knisternde Kerze gerade und tätschelte den Arm des Fischers. »Wir werden nicht nach Ihnen schicken. Niemand braucht zu wissen, was Sie hier für uns getan haben, und ich verspreche Ihnen, dass wir eher dem Tod ins Angesicht schauen werden, als Sie zu verraten.«
    »Ich weiß das zu schätzen, Ma’am.« Poms Schritte verhallten in dem engen Treppenaufgang.
    Amy folgte ihm, um ihn zur Hintertür herauszulassen. Die Jahre der Mittellosigkeit hatten sie vorsichtig werden lassen, und daher fragte sie leise: »Niemand im Dorf weiß, was wir getan haben, oder?«
    »Keinen Schimmer.« Pom tippte sich zum Abschied an den Hut und verschwand dann in den Nebelschwaden.
    Amy fragte sich, was er mit diesen Worten gemeint hatte. Sollte das heißen, dass die Dorfbewohner keinen Schimmer hatten, oder war es vielmehr so, dass er sich nicht sicher war, ob die anderen etwas ahnten?
    Aber sie sah keinen Grund, sich jetzt Sorgen zu machen. Die Tat war vollbracht, und das Unterfangen war so tollkühn, dass allein die Überraschung Erfolg verhieß.
    Das redete sie sich zumindest ein und hoffte es von ganzem Herzen.
    Pom betrat die Kneipe und hängte seinen Hut an den Haken neben der Tür. Kaum drehte er sich um, als er merkte, dass alle ihn erwartungsvoll ansahen. »Geschafft«, sagte er zufrieden.
    Die Leute in der Schankstube atmeten erleichtert auf.
    »Jetzt hab dich nicht so! Wir wollen die Einzelheiten hören.« Seine Frau stand mit einem Putzlappen in der Hand hinter der Theke. Sie bändigte ihre blonden Locken mit einem rosafarbenen Tuch, und ihre blauen Augen glitzerten. Ein Lächeln umspielte ihre schönen Lippen.
    Pom hatte nie begriffen, warum Mertle sich unter allen Fischern ausgerechnet für ihn entschieden hatte, aber er war glücklich, dass sie seine Frau war. Er bedachte sie mit dem nüchternen Kopfnicken, mit dem er seine Zuneigung zum Ausdruck brachte, und fügte hinzu: »Ist alles gut gelaufen.«
    Dann setzte er sich an einen Tisch, stützte sich mit den Ellbogen ab und wartete, während Mertle ihm das Abendessen brachte. Mit Heißhunger machte er sich über die Speisen her, und als er alles aufgegessen hatte, nahm er den Krug mit Ale und leerte ihn in einem Zug.
    Plötzlich wurde ihm bewusst, dass ihn immer noch sämtliche Leute anstarrten. Offenbar wollte sich niemand mit dem kargen Bericht, den er ihnen geliefert hatte, zufriedengeben. Das Reden lag ihm nicht, und daher erklärte er etwas umständlich: »Seine Lordschaft ist in Miss Victorines Keller angekettet. Die Lösegeldforderung wurde Mr. Harrison Edmondson hinterlassen.«
    »Dieser Mistkerl«, entfuhr es Mertle. »Weiter, Pom!«
    »Jetzt müssen wir warten, was Lord Northcliff sagt, wenn er aufwacht«, fuhr er fort.
    »Ich glaube, er wird gar nicht glücklich
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