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Ketten der Liebe

Ketten der Liebe

Titel: Ketten der Liebe
Autoren: Christina Dodd
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die Hälse, um Amy besser sehen zu können.
    »Wir können rückwärts durch den Hochzeitsbogen gehen«, rief sie zurück.
    Die Dorfbewohner stießen einander an.
    »Erkläre das unserem Sohn«, erwiderte er beschwingt.
    Sanft strich Miss Victorine über die Wölbung an Amys Bauch. Während der ersten drei Monate hatte das Kind sich auf seine Art bemerkbar gemacht und der jungen Mutter allmorgendlich Übelkeit und Müdigkeit beschert. Jetzt spürte Amy, wie sich das Kleine unter Miss Victorines Hand regte, und sie lächelte, als sie Miss Victorines Überraschung sah.
    Die alte Dame erwiderte das Lächeln. Die zunehmenden Gebrechen des Alters wurden ein wenig gemildert durch die besseren Mahlzeiten und die tägliche Versorgung durch Mertle. Bei Amys und Jermyns Hochzeit - die zweite von drei geplanten - in der Kapelle von Summerwind Abbey vor fünf Monaten hatte man Miss Victorine einen Ehrenplatz in der ersten Reihe zugewiesen. Nun rückte die liebe alte Frau den Kranz aus gewundenen gelben Chrysanthemen auf Amys Kopf zurecht, und Amy musste schwer schlucken, als sie sah, wie viel Freude und Anteilnahme in Miss Victorines Miene lagen.
    »Ihr alle wusstet, dass Miss Victorine und meine Prinzessin mit der verächtlichen Miene mich unten in dem Keller gefangen hielten. Keiner von euch ist mir zu Hilfe gekommen.« Jermyn setzte eine anklagende Miene auf, bis er schließlich schelmisch grinste. »Und dafür danke ich euch. Ohne eure Maßnahme wäre ich gewiss längst den bösen Machenschaften meines Onkels zum Opfer gefallen.«
    »Hört, hört!«, rief Vikar Smith. Alle drehten sich zu ihm um, als er ungeduldig fortfuhr: »Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung!«
    »So ist es.« Jermyn wurde wieder ernster. »Während meiner Gefangenschaft hatte ich zwangsläufig viel Zeit, über mich selbst nachzudenken, und nicht jede Erkenntnis war angenehm. In der Vergangenheit war ich träge und töricht und handelte verantwortungslos. Offenbar sah ich mich durch die Tragödie, die sich in meiner Kindheit abspielte, zu diesem Benehmen veranlasst. Doch während ich in dem Keller festsaß, lernte ich, anders zu denken. Ich erkannte, was Güte bedeutet, da Miss Victorine mein Wohlergehen über ihr eigenes stellte. Durch Prinzessin Amys beständiges und freundliches Lob ...«
    Bei dieser Art der Darstellung musste selbst Amy laut lachen.
    »... lernte ich, dass ich die Leute bestohlen hatte, die mich von klein auf kannten. Und in den Stunden, die ich allein zubrachte, lernte ich, dass man auch Licht in eine dunkle Stunde bringen kann, wenn man bereit ist, etwas zu vollbringen, und sei es nur eine kleine Aufgabe. Am meisten aber« - er holte hörbar Luft - »habe ich gelernt, an den festen Ansichten zu zweifeln, die mich über all die Jahre zermürbten, denn nun weiß ich, dass meine Mutter ihre Familie nicht verraten hat. Ich sah keinen konkreten Grund, an meiner Überzeugung zu zweifeln, aber als ich älter wurde und Menschen kennenlernte, die für ihre Grundsätze einstehen, erinnerte ich mich, wie freundlich, großzügig und liebevoll meine Mutter war. Der Leichnam meiner Mutter ruht nun neben meinem Vater auf dem Friedhof der Northcliffs auf dieser Insel, und ich möchte euch allen danken« -sein Blick wanderte zu Amy -, »dass ihr mir geholfen habt, die Wahrheit aufzudecken.«
    Die Frauen wischten sich die Tränen von den Wangen, als sie ihren Herrn so ernst und würdevoll sprechen hörten.
    Bei der feierlichen Bestattung von Lady Northcliff waren sowohl hohe Adlige des Landes als auch einfache Fischer zugegen gewesen. Alle hatten Jermyn versichert, sie hätten nie schlecht von seiner Mutter gedacht und seien stets davon ausgegangen, dass hinter dem Verschwinden von Andriana finstere Ränke steckten.
    Jermyn gab vor, den Leuten zu glauben, denn es würde nur böses Blut bringen, die Beileidsbekundungen zu hinterfragen.
    Amy war keinen Augenblick von Jermyns Seite gewichen, hatte seine Hand gehalten und den Kummer mit ihm geteilt.
    Das Begräbnis seiner Mutter hatte ihr nämlich die Möglichkeit gegeben, offiziell den Tod ihres Vaters zu betrauern. Der schwarze Trauerflor, die Klagelieder, das Herabsenken des Sargs - all das spiegelte Liebe und Tod, und so weinte Amy genauso bitterlich um Lady Northcliff wie um König Raimund.
    Die Beerdigung von Harrison Edmondson wurde in einem viel kleineren Rahmen abgehalten, und an seinem Grab weinte niemand.
    Nun schwoll Jermyns Stimme an. »Mein größter Dank aber gebührt Prinzessin
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