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Kesrith – die sterbende Sonne

Kesrith – die sterbende Sonne

Titel: Kesrith – die sterbende Sonne
Autoren: C.J. Cherryh
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wie wir. Und jetzt ist ihm auch der neue verschlossen. Du hast ihm etwas genommen. Was erwartest du von ihm, Sen Sathell?«
    Sathell erkannte die Wahrheit darin, und da er nicht in der Lage war, mit Eddan in dieser Angelegenheit zu streiten, senkte er den Kopf und versuchte, die Dinge so zu sehen, wie sie ein junger Kel'en sehen könnte. Man konnte dem Kel nichts erklären, man konnte es nicht in einer Debatte bezwingen noch von ihm Voraussicht erwarten. Als Kinder des Tages waren die Kel'ein kurz angebunden und leidenschaftlich, ohne Gestern und ohne Morgen. Ihre Unwissenheit war der Preis, den sie für die Freiheit bezahlten, das Haus zu verlassen und unter Tsi'mri zu gehen; und sie kannten ihren Platz. Wenn ein Sen'en sie mit Vernunft herausforderte, konnten sie ihrerseits einfach nur den Kopf senken und sich ins Schweigen zurückziehen: sie hatten nichts, womit sie antworten konnten. Und es war gewissenlos, den Frieden ihres Geistes zu zerstören. Wissen ohne Macht war die schlimmste aller Situationen.
    »Ich denke«, sagte Sathell, »daß ich euch alles berichtet habe, was ich euch im Moment berichten kann. Ich werde euch unverzüglich benachrichtigen, sobald es weitere Neuigkeiten gibt.« Inmitten dieser Stille erhob er sich und glättete seine Gewänder, vermied behutsam das reflexhafte Zuschnappen des Dus. Das Tier faßte nach seinem Knöchel, harmlos in der Absicht, aber nicht in den Fähigkeiten. Niemand außer einem Kel'en durfte mit den Dusei vertraulich umgehen. Sathell hielt inne und blickte Eddan an, der das Tier mit einer Berührung zurechtwies und ihn so befreite.
    Er entzog sich der massigen Tatze und warf einen letzten Blick auf Eddan; aber Eddan sah weg, täuschte vor, an Sathells Abschied nicht weiter interessiert zu sein. Sathell hatte nicht vor, öffentlich in dieser Angelegenheit Druck auszuüben. Er kannte seinen Halbbruder und wußte, daß der Schmerz genau seinen Grund in der gegenseitigen Zuneigung hatte. In der Öffentlichkeit gab es eine sorgsam gezogene Grenze zwischen ihnen. Das mußte so sein, wenn Verwandte durch Kasten getrennt waren, um den Stolz des Geringeren zu wahren.
    Sathell verabschiedete sich mit formeller Höflichkeit von den anderen, zog sich zurück und freute sich, diese grimmige Halle verlassen zu haben, so schwer war dort die Luft mit dem Ärger enttäuschter Männer durchsetzt und dem der Dusei, deren Zorn langsamer, aber gewalttätiger war. Er war jedoch erleichtert darüber, daß sie allem zugehört hatten, was er zu sagen gehabt hatte. Es würde keine Gewalt geben, keine irrationale Handlung, die das Schlimmste war, was man vom Kel befürchten konnte. Sie waren alt. Die Alten konnten sich gruppenweise miteinander unterhalten, sich gegenseitig beratschlagen. In der Jugend war der Kel'en ein Einzelkämpfer, unbekümmert und ohne Perspektive.
    Sathell erwog, Niun zu folgen, und wußte nicht, was er ihm sagen sollte, wenn er ihn gefunden hatte. Seine Pflicht war es, anderswo Bericht zu erstatten.
    * * *
    Und als sich die Tür schloß, zog die betagte Pasev, Kel'e'en, Veteranin der ersten Einnahme von Nisren und Elag, die As'ei aus dem abgesplitterten Verputz und zuckte nur die Achseln über den Sen'anth. Sie zählte mehr Jahre und hatte mehr vom Krieg erlebt als jeder andere lebende Krieger außer Eddan selbst. Trotzdem spielte sie das Spiel, wie es alle taten, einschließlich Eddan. Es war ein ebenso ehrenwerter Tod wie der im Krieg.
    »Laßt es uns zu Ende spielen«, sagte sie.
    »Nein«, erwiderte Eddan fest. »Nein, nicht jetzt.«
    Er hielt ihren Blick fest, während er sprach. Sie sah ihn offen an, den betagten Liebhaber, betagten Rivalen, betagten Freund. Ihre schlanken Finger streiften über die scharfe Kante des Stahls, aber sie verstand den Befehl.
    »Aye«, sagte sie, und die As'ei wirbelten an Eddans Schulter vorbei und gruben sich in die gemalte Karte von Kesrith, die die östliche Wand schmückte.
    * * *
    »Das Kel hat die Neuigkeiten mit mehr Zurückhaltung aufgenommen, als ich von ihm erwartet hatte«, sagte Sen Sathell. »Aber sie haben sich auch nicht darüber gefreut. Sie fühlen sich betrogen. Sie empfinden es als Verstoß gegen ihre Ehre. Und Niun ging fort. Er wollte nicht einmal alles anhören. Ich weiß nicht, wo er hingegangen ist. Ich bin betroffen.«
    She'pan Intel, die Lady Mutter des Hauses und des Volkes, lehnte sich in ihre zahlreichen Polster zurück und ignorierte einen stechenden Schmerz. Der Schmerz war ein alter Gefährte. Sie kannte
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