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Kerstin Gier 2

Kerstin Gier 2

Titel: Kerstin Gier 2
Autoren: Mutter-Mafia und Friends
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verkündet, dass er heute wieder gegünthert hat. Irgendwie hatte ich doch gleich vermutet, dass es weitreichende Folgen haben wird, wenn ich ohne Geschenk bei einem Kindergeburtstag auftauche. Ich ahnte nur nicht, in welche Richtung das gehen würde. Wie auch immer, ich würde gern meinen Namen wieder aus der Sache herauskriegen. Ich grüble bei einem Glas Limonade darüber und hoffe, dass Bert endlich mit seinem Smartphone auftaucht. Bundesliga-Anpfiff ist zwar erst in einer Stunde, aber wir sollten dringend noch mal die Mannschaftsaufstellungen durchgehen. Finja gesellt sich zu mir.
    »Weißt du Günther, du bist unsere Rosa Parks.«
    »Rosa was?«
    »Rosa Parks. Du kennst doch Rosa Parks, oder?«
    »Ach so, war das nicht …«
    »Genau, die schwarze Bürgerrechtlerin, die sich eines Tages geweigert hat, ihren Platz im Bus für einen Weißen frei zu machen. Sie hat sich einfach nicht dem Druck gebeugt, und siehe da, mit einem Schlag ging den Menschen ein Licht auf.«
    »Also, jetzt mach mal halblang,. Finja.«
    »Doch, doch, so in etwa war das mit dir, auch wenn unser Problem, das muss ich zugeben, nicht ganz so gravierend ist, wie das der diskriminierten schwarzen US -Amerikaner in den 50ern. Trotzdem sollten wir mit dem gleichen Ernst …«
    »Entschuldigung, Finja, da kommt Bert. Wir müssen was sehr Wichtiges, also … besprechen.«
    »Aber sicher doch, Günther.«
    *
     
    Seit Timos Geburtstag hatte ich meine Lektion gelernt. Einfach keine Geschenke mitbringen, und gut ist es. Am Anfang hatte ich immer noch ein wenig den Kopf eingezogen, wenn Laura und ich irgendwo mit leeren Händen klingelten, aber das Ohne-Geschenk-Kommen war in unserem Stadtteil inzwischen so selbstverständlich geworden, wie das Nicht-ohne-Hose-auf-die-Straße-Gehen. Und ich lernte die angenehmen Seiten daran zu schätzen: Kein Kopfzerbrechen mehr, was denn wohl passend für die kleine Elisa-Sophie wäre, die man bisher genau dreimal gesehen hat, keine peinigenden »Oh, das hätte doch nicht sein müssen«-Gesprächsrituale, und Laura bringt auch keine Tüten voll nutzloser Kinderzimmer-Füllmasse mehr von den Geburtstagen mit. Und je selbstverständlicher diese Geisteshaltung wird, umso weniger wird darüber gesprochen, und je weniger darüber gesprochen wird, umso mehr gerät das Wort »günthern« in Vergessenheit. Natürlich, hin und wieder juckt es einen schon, einem Kind eine kleine Freude zu machen. Wenn man genau weiß, dass Alexander Fußballbilder sammelt oder dass Klara angefangen hat zu kochen. Aber Finja hat sicher Recht, wenn einer wieder damit anfängt, setzt er die anderen unter Druck, die ziehen nach, und, eins, zwei, drei, sitzt man wieder in der Falle.
    Auch den Kindern scheint nichts zu fehlen. Wir sind ja schließlich nicht mehr in den mageren Nachkriegsjahren. Wenn die irgendwas wirklich wollen, kriegen sie es früher oder später, dazu brauchen sie nicht ihre Geburtstagsgäste. Und dass es weniger Ärger beim Aufräumen gibt, tut allen ganz gut.
    So wandeln Laura und ich zufrieden die Straße entlang. Unser Ziel ist Max-Theos Kindergeburtstag im Hofgarten seines Hauses ein paar Straßen weiter. Es ist wieder Wochenende, und wieder prächtiges Wetter. Ein großartiger Tag, um einen ganzen Häuserblock unter Lärm zu setzen. Bei Max-Theos Geburtstag können die Eltern der Gäste eigentlich immer nach Hause gehen, wenn sie wollen, dort einen ruhigen Nachmittag verleben und ihr Kind am Abend wieder abholen. Das macht aber kaum jemand, weil der Kuchen und der Kaffee, den Max-Theos Eltern Finja und Leopold jedes Mal auffahren, dermaßen Extraklasse ist, dass man blöd wäre, sich das entgehen zu lassen.
    Das laute Geschrei wird von den Hofwänden zurückgeworfen. Wenn man sich erst mal daran gewöhnt hat, geht es aber. Ich stecke meine Gabel in ein Prachtstück von Erdbeerkuchen und versuche, mir ein Stück aufzuladen, von dem ich glaube, dass es gerade noch so in meinen Mund reinpassen könnte. Bundesliga werden wir heute sogar auf einem Fernseher gucken können, weil die Kneipe nebenan das nötige Pay- TV -Abo hat. Ein perfekter Tag.
    Das Kuchenstück passt. Ein kleiner Rest bleibt zwar an meiner Oberlippe hängen, aber den fange ich schnell mit der Zunge ein. Ich werde Finja ein abgewandeltes Villon-Gedicht schenken: »Ich bin so wild nach deinem Erdbeer …« Oh, da kommt sie. Und sie hält einen Zettel in der Hand. Irgendetwas will sie jetzt verkünden, man merkt es ihr an. Ich kaue und schlucke etwas schneller.
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