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Kerstin Gier 2

Kerstin Gier 2

Titel: Kerstin Gier 2
Autoren: Mutter-Mafia und Friends
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erklären, das Klettergerüst auf dem Zillespielplatz ist lebensgefährlich, und Herr Prattl ist ein Verbrecher, weil er einen Fußballstar aus seinem Sohn machen will. In der Hand halte ich das zweite Glas Sekt, und das dritte ist schon so gut wie eingeschenkt.
    Ab und zu huscht ein quietschendes Kind durch unsere Beine, wird aber sofort wieder rausgeschmissen. Der übliche Kindergeburtstagsdeal: Ihr die Zimmer, wir die Küche, ihr dürft verwüsten, wir trinken. Natürlich gibt es auch Leute, die mit ihrer Geburtstagsbande in irgendeine Kindermeuten-Bespaßungseinrichtung gehen oder einfach in den nächsten Park, aber Melanies Eltern haben Nerven wie Granitfelsen. Die stehen den Sturm in ihrer Wohnung locker durch. Kein noch so ohrenbetäubendes Rumsen und Krachen bringt sie aus der Küche heraus, es sei denn, es wird von lautem Weinen begleitet. Ich bewundere sie im Stillen, räkele mich auf einem für einen Küchenstuhl ausgesprochen gemütlichen Sitzmöbel und gebe hier und da meinen Senf zu Frau Kölbling, Klettergerüst und Fußballstar-Sohn. Ich beginne gerade damit, den Tag richtig klasse zu finden, als Margitta, die Mutter von Timo aus unserem Nachbarhaus, auf mich zukommt.
    »Günther, eins muss ich dir mal sagen, das war richtig mutig von dir.«
    »Was?«
    »Na, einfach kein Geschenk mitzubringen.«
    »Ja, finde ich auch, Günther. Eine klare Geste der Vernunft.«
    »Da sollte man wirklich mal drüber nachdenken.«
    Immer mehr Leute stoßen zu unserem Gespräch und mischen sich ein.
    »Wir kippen die armen Kinder nur so zu mit Zeug.«
    »Die sind völlig überfordert damit.«
    »Wie sollen sie Ordnung lernen, wenn sie in lauter nutzlosem Kram ertrinken?«
    »Ab einer gewissen Menge kriegt man das gar nicht mehr in den Griff.«
    »Wir tun ihnen da wirklich was an.«
    »Messies, wir machen Messies aus ihnen.«
    »Täglich. Ohne es zu merken.«
    »Man braucht doch gar nicht viel, um glücklich zu sein.«
    »Wirklich Günther, das war die richtige Aktion zur richtigen Zeit.«
    Ja, ist gut. Kann ich jetzt bitte den Mittelpunkt verlassen, in dem ich jetzt schon wieder stehe, ohne es zu wollen? Aber sie lassen nicht locker. Einige Eltern nehmen vorsichtig die Gegenposition ein und argumentieren, dass das Schenken doch auch eine schöne Geste sei und ein Ausdruck von Liebe, aber sie werden mit Urgewalt niedergebügelt. Ein paarmal wird noch versucht, mich, den Ideengeber, zum Anführer der Bewegung zu erklären, aber in solchen Situationen bin ich ein großer Meister darin, mein Phlegma nach außen zu kehren. Je intensiver die Diskussion wird, umso mehr stehle ich mich an den Rand der Gruppe davon. Dort sitzt auch mein Freund Bert, auf dessen Smartphone wir die Spielstände der aktuell laufenden Bundesligapartien verfolgen können.
    *
     
    Melanies Vater hat ganz richtig gelegen. Bis zum Abschied verlor Melanie kein Wort über das fehlende Geschenk von Laura, und als ich ihr sagte, dass es mir sehr leid täte und ob ich vielleicht noch nachträglich etwas besorgen könnte, was ihr eine Freude machen würde, überlegte sie nur kurz und winkte dann ab. Der Gedanke schien sie zu erschöpfen. Beim Anblick ihres Gabentischs und allem, was darauf, darunter und drum herum lag, konnte man auch leicht verstehen, woran das lag. Die Regale, in denen die ganzen Tierpuzzles, Blechtrommeln, Harry-Potter-Actionsets, Pferde mit frisierbaren Mähnen, aufblasbaren Elektrogitarren und Co. alle Platz finden, mussten definitiv erst noch angeschafft werden.
    Wir sind wieder zu Hause. Laura ist erschöpft und kuschelt eine Runde mit ihrer Mutter. Die Geschenktüte, die sie von der Party mitgebracht hat, liegt im Flur auf dem Boden. Bevor ich die Sportschau anmache, sehe ich seufzend hinein. Das Übliche: Ein Zusammensteck-Flugzeug aus Styropor, eine Packung Indianerfiguren, ein Minidrachen und Süßigkeiten ohne Ende. Ich nehme die Süßigkeiten heraus, verfrachte sie in die Süßigkeitenschublade. Den übrigen Inhalt der Tüte verteile ich gleichmäßig auf die praktischen Spielzeugwannen in Lauras Zimmer. Sie sind zwar randvoll, aber mit etwas Geschick kriegt man am Ende immer doch noch etwas rein. Gerade die kleinen Plastikindianer kann man prima einzeln in Ritzen stopfen.
    Natürlich wäre es pädagogisch sinnvoller gewesen, wenn Laura den Kram selbst aufgeräumt hätte. Aber andererseits tut mir das arme Mädchen leid. Ja, was die Leute da vorhin diskutiert hatten, ist völlig richtig. Die Kleinen sind überfordert von dem ganzen
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