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Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

Keks & Drugs & Rock 'n' Roll

Titel: Keks & Drugs & Rock 'n' Roll
Autoren: László Virág
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(Indien). Wir gingen raus auf die Terrasse und genossen den, in die Nacht geknutschten warmen Atem des sich verabschiedenden Sommers.
    Dann begann es zu weinen (vielleicht, weil der Himmel mit seiner sternenbesprengten Decke über dem Kornfeldbett vergebens auf mich wartete). Stattdessen ging ich in die Dachstube und ließ mich von seinem Klageplätschern in den Schlaf wiegen. Schlaf im Schlaf.
     
    Dann, der Morgen, der mich schon um sieben in die Küche treibt, aber Mundeba lässt mich meine Reserven nicht anreißen. Er versucht, meinen knurrenden Magen mit warmen Käsetoast zu besänftigen, und schon laufe ich in der Innenstadt herum.
    Dann stehe ich am Eriesee, an der Niagara-Mündung und schaue auf einen sandigen Platz am Ufer, wo eine braunkarierte Decke ausgebreitet liegt, und auf der Decke liegen eine Frau und ein Mann mittleren Alters. Die Frau hat ein hellgraues Kostümkleid an, der Mann Hemd und Krawatte, und vor den beiden stehen eine Sektflasche und zwei schlanke Sektgläser im Sand. Sie strahlen Ruhe, Gelassenheit und Feierlichkeit aus!
    Nicht so, wie die beiden Wächter in der Metro auf’m Heimweg. Die haben riesige Revolver an der Seite zu bammeln. Ijj, weg von hier, bevor sie anfangen zu ballern. Wer weiß! Die allgemeine Sicherheit scheint hierzulande nicht alleine durch den Glauben an den Weihnachtsmann garantiert zu werden. Ja, und mein Eindruck wird dann beim erneuten Abendgespräch mit den Jungs im Rahmen eines Internationalen Christlichen Studententreffens auch mehrmals bekräftigt.
    Die Studenten aus verschiedenen Kontinenten kommen meist aus dem Grund hierher, weil das Zu-Irgendetwas-Gehören-Gefühl ihr Selbstbewusstsein stärkt und ihre Beklemmungen in dieser „harten Welt“ lockert. Der Abend beginnt mit einer großen Zeremonie. Die Messe wird zelebriert. Dann lockert sich die Atmosphäre und die Gemeinde schwatzt in kleineren Gruppen ganz aufgelöst, nach dem Motto: „... wenn der HERR uns schon so zusammenbrachte, sollen wir es genießen ...“ Für mich bedeutet es, die Fortsetzung des gestrigen Abends mit dem Puzzle-Spiel. Nur eben in einer erweiterten Form. Japan, Südkorea und noch einige afrikanische Länder sind auch dabei und die USA sind mehrfach präsent. So treiben wir es unter der Schirmherrschaft des HERRn bis Mitternacht, dann setzen wir es zuhause im engeren Kreis fort.
     
    Nachts hatte sich die ganze Welt unter meinem Kissen hin- und hergewälzt und frühmorgens ist nur noch die USA geblieben, aber davon auch nur die Landstrasse. Ich bin gespannt, wer von den Jungs mir das Frühstück zubereitet, Mundeba oder David? Aber wie ich meine Augen öffne, muss ich feststellen, es gibt kein Kopfkissen unter meinem Kopf, das sind meine zerknautschten Turnschuhe, und es gibt kein ausgedehntes Abschiedsfrühstück mit den Jungs. Und Buffalo war auch vor zwei Tagen.
     
    Heute Morgen, um halb sieben, gibt es dagegen McDonald’s mit einem heißen Tee und meinen Brot-Bananen-Reserven. Ich staune, dass Bob Frissel, der Tramper von gestern Abend, auch schon hier ist. Er hat die Nacht irgendwo mit einer dünnen Decke auf dem Acker verbracht. Deswegen schlürft er jetzt seinen dampfenden Kaffee mit zitternden lila Lippen. Seine Augen sind trüb. Die Wangen eingefallen. Aber das war gestern schon so. Eins ist klar: Seine Venen sind nicht mehr jungfräulich. Wir sind im Moment Kollegen, aber das verbindet uns wenig. Es wirkt eher trennend. Eine Art Rivalität hängt im Raum. Ich versuche die Situation ein bisschen zu lockern, indem ich ihm den Erstzutritt zur Straße überlasse. Er gibt mir sogar eine Adresse in New York City. Ein Freund von ihm, bei dem ich vielleicht schlafen kann. Als ich nach ausgiebiger Säuberungsaktion frisch aus den Toiletten endlich auf die Straße komme, ist er schon weg. Er hat heute Glück gehabt. Ich aber auch. Die Straße gehört mir! Aber nicht lange, denn ein weinroter Ford bremst schon und ich gehöre der Straße.
    Oh wie gut, dass ich keinen nüchternen Magen habe, denn John, der blonde sportliche Typ erteilt mir nach einer halben Stunde Plauderei die erste Lektion des Tages in Wirtschaftswissenschaft: Plötzlich hält er inne, schaut mich an, wie jemand der was ganz Wichtiges mitzuteilen hat und fragt: „Was denkst du, wie viel kostet ein Fußstöpsel eines Rohrstuhles?“
    Aber ehe ich überhaupt etwas sagen kann, antwortet er schon. „Sechsundzwanzig Cent!“ Er hebt seinen Zeigefinger und den Ton. „Und was kostet es uns Steuerzahler, wenn das
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