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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance
Autoren: H Coben
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rochen nach Erdbeeren. Hinter ihr kam Abe ins Zimmer. Tara schlief in seinen Armen. Lorraine ließ mich los und trat zur Seite. Abe kam näher. Behutsam reichte er mir meine Tochter. Ich hielt sie in den Armen, und mein Herz ging in Flammen auf. Tara
wurde unruhig. Sie bewegte sich. Ich hielt sie fest, wiegte sie langsam hin und her und machte leise »Schhhhh«.
    Und bald kuschelte sie sich an mich und schlief wieder ein.

46
    Als ich auf den Kalender sah, kam alles wieder in Bewegung.
    Das menschliche Gehirn ist faszinierend. Es ist eine seltsame Mischung aus elektrischen Strömen und Chemikalien. Im Endeffekt ist es die reine Wissenschaft. Wir wissen mehr über die Zusammenhänge im Kosmos als über die eigenartigen Schaltungen in Großhirn, Kleinhirn, Hypothalamus, Medulla oblongata und was sonst noch so dazugehört. Und ähnlich wie bei einer komplexen Verbindung, wissen wir nie, wie es auf einen bestimmten Katalysator reagiert.
    Es gab einiges, worüber ich noch einmal in Ruhe hätte nachdenken sollen. Zum Beispiel über den Informanten; Rachel und ich hatten gedacht, dass entweder jemand vom FBI oder jemand von der Polizei Bacard und seine Leute auf dem Laufenden gehalten hatte. Doch das passte einfach nicht zu meiner Theorie, nach der Stacy Monica erschossen hatte. Monica war nackt gewesen, als die Polizei sie fand. Ich konnte mir inzwischen vorstellen, warum sie sie ausgezogen hatten, aber Stacy hätte niemals daran gedacht.
    Der wichtigste Katalysator war allerdings mein Blick auf den Kalender und die Feststellung, dass Mittwoch war.
    Der Überfall und die Entführung hatten an einem Mittwoch stattgefunden. Natürlich waren innerhalb der letzten achtzehn Monate viele Mittwoche vergangen. Wochentage an sich sind ja ziemlich nichts sagend. Diesmal jedoch, nachdem wir so viel herausbekommen hatten, nachdem mein Gehirn all die neuen Erkenntnisse
verarbeitet hatte, machte etwas klick. All die kleinen Fragen und Zweifel, all die Eigentümlichkeiten und Situationen, die ich einfach so hingenommen und nie richtig durchdacht hatte … erschienen plötzlich in einem anderen Licht. Und was ich da sah, war noch viel schlimmer, als ich erwartet hatte.
    Ich war wieder in Kasselton – in meinem Haus, wo alles seinen Anfang genommen hatte. Um hundertprozentig sicherzugehen, rief ich Tickner an.
    Ich sagte: »Es ist doch richtig, dass auf meine Frau und auf mich mit .38ern geschossen wurde?«
    »Ja.«
    »Und Sie sind sicher, dass es zwei verschiedene Pistolen waren.«
    »Absolut.«
    »Eine davon war meine Smith and Wesson?«
    »Das wissen Sie doch alles, Marc.«
    »Haben Sie die Ergebnisse von allen ballistischen Tests?«
    »Von fast allen.«
    Ich leckte mir über die Lippen und wappnete mich innerlich. Ich hoffte innigst, dass ich Unrecht hatte. »Auf wen wurde mit meiner Waffe geschossen? Auf Monica oder auf mich?«
    Jetzt fing er an, sich zu zieren. »Warum wollen Sie das alles wissen?«
    »Reine Neugier.«
    »Okay, schon klar. Einen Moment.« Ich hörte, wie er in Papieren herumblätterte. Meine Kehle wurde eng. Fast hätte ich es nicht mehr ausgehalten und aufgelegt. »Auf Ihre Frau.«
    Als ich den Wagen draußen vorfahren hörte, legte ich auf. Lenny drehte den Knauf und öffnete die Tür. Er klopfte nicht. Lenny hatte schließlich nie geklopft, oder?
    Ich saß auf der Couch. Das Haus war still, die Geister der Vergangenheit schliefen. Einen großen Pappbecher in jeder Hand und breit lächelnd kam er herein. Wie oft hatte ich dieses Lächeln
wohl schon gesehen? Ich erinnerte mich daran, dass es früher schiefer gewesen war. Dann war es voller Zahnspangen und daher etwas zurückhaltender gewesen. Und ich hatte es blutüberströmt gesehen, als wir im Garten der Gorets mit dem Schlitten gegen einen Baum gefahren waren. Ich musste wieder daran denken, wie Lenny in der dritten Klasse dem viel größeren Tony Merruno auf den Rücken gesprungen war, als der Streit mit mir angefangen hatte. Und wie Tony Merruno daraufhin Lennys Brille zertrümmert hatte. Ich glaube nicht, dass es Lenny etwas ausgemacht hatte.
    Ich kannte ihn wirklich gut. Aber vielleicht hatte ich ihn trotzdem nie richtig gekannt.
    Als Lenny mein Gesicht sah, gefror sein Lächeln.
    »Wir wollten an dem Morgen Racquetball spielen, Lenny. Weißt du noch?«
    Er ließ die Becher sinken und stellte sie auf den Tisch.
    »Du klopfst nie an. Du kommst einfach rein. Wie heute. Was ist passiert, Lenny? Du bist hergekommen, um mich abzuholen. Du hast die Tür
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