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Keine zweite Chance

Keine zweite Chance

Titel: Keine zweite Chance
Autoren: H Coben
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Edgar.
    Ich wandte mich erst an Carson und sah dann wieder Edgar an. »Nein.«
    »Sie wollte nicht, dass es jemand erfährt.«
    »Wie hast du es rausgefunden?«
    Edgar antwortete nicht. Er starrte auf seine Hände. Dann sagte er: »Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Wieder warf ich einen kurzen Blick auf Onkel Carson. Sein Gesicht wirkte verbissen. Ich meinte, ein leichtes Zittern zu erkennen. Dann wandte ich mich wieder Edgar zu. »Okay.«
    Edgar öffnete die Schublade seines Schreibtischs, griff hinein und zog eine durchsichtige Plastikhülle heraus. Er hielt sie mit Daumen und Zeigefinger an einer Ecke und hob sie hoch, so dass ich sah, was sich darin befand. Ich brauchte einen Moment, doch als mir klar wurde, worum es sich handelte, riss ich die Augen auf.
    Edgar sah meine Reaktion. »Du hast es also erkannt.«
    Zuerst bekam ich kein Wort heraus. Ich blickte zu Carson hinüber. Seine Augen waren blutunterlaufen. Ich sah Edgar wieder an und nickte benommen. In der Plastiktüte war ein kleiner, bierdeckelgroßer Stofffetzen. Das Muster hatte ich vor zwei Wochen gesehen, Sekunden bevor jemand auf mich geschossen hatte.

    Rosa mit schwarzen Pinguinen.
    Meine Stimme war kaum hörbar. »Woher hast du das?«
    Edgar reichte mir einen großen, braunen gefütterten Umschlag. Auch dieser steckte in einer Plastiktüte. Ich drehte ihn um. Ein weißer Aufkleber klebte darauf, der mit Edgars Namen und Adresse bedruckt war. Kein Absender. Auf dem Poststempel stand New York City.
    »Es kam heute mit der Post«, sagte Edgar. Er deutete auf die Stoffprobe. »Ist das von Tara?«
    Ich glaube, ich bejahte.
    »Da war noch mehr drin«, sagte Edgar. Wieder griff er in die Schublade. »Ich war so frei, alles in Plastiktüten zu stecken. Falls die Behörden es untersuchen wollen.«
    Wieder reichte er mir einen Gefrierbeutel. Einen kleineren. Darin waren Haare. Ein paar dünne Strähnen. Mit wachsender Angst wurde mir klar, was ich da vor mir hatte. Mir stockte der Atem.
    Babyhaare.
    Aus weiter Ferne fragte Edgar: »Sind die von ihr?«
    Ich schloss die Augen und stellte mir Tara in ihrer Wiege vor. Erschrocken stellte ich fest, dass das geistige Bild meiner Tochter bereits zu verblassen begann. Wie war das möglich? Ich wusste nicht mehr, ob ich eine Erinnerung vor Augen hatte oder etwas, das ich als Ersatz für das heraufbeschwor, was ich schon langsam vergaß. Verdammt.
    Tränen sammelten sich unter meinen Augenlidern. Ich versuchte mir zu vergegenwärtigen, wie es sich angefühlt hatte, wenn ich mit der Hand über den Kopf meiner Tochter gestrichen hatte.
    »Marc?«
    »Könnte sein«, sagte ich und öffnete die Augen. »Ich kann’s unmöglich genau sagen.«
    »Da war noch etwas«, sagte Edgar. Er gab mir eine weitere Plastiktüte. Behutsam legte ich die mit ihren Haaren auf den Schreibtisch.
Ich nahm die andere Tüte. Darin befand sich ein Stück Papier. Ein mit einem Laserdrucker bedruckter Zettel.
     
    Wenn Sie die Polizei informieren, verschwinden wir. Sie werden nie erfahren, was mit ihr passiert ist. Wir beobachten Sie. Wir werden es erfahren. Wir haben einen Informanten im innersten Kreis. Ihre Anrufe werden abgehört. Sprechen Sie nicht am Telefon darüber. Wir wissen, dass Sie, Großpapa, reich sind. Wir wollen zwei Millionen Dollar. Wir wollen, dass Sie, Papa, das Lösegeld übergeben. Sie, Großpapa, halten das Geld bereit. Wir legen ein Handy bei. Man kann es nicht zurückverfolgen. Aber wenn Sie damit eine Nummer wählen oder es anderweitig benutzen, werden wir es erfahren. Wir werden verschwinden, und Sie sehen das Kind nie wieder. Besorgen Sie das Geld. Geben Sie es Papa. Papa, behalten Sie das Geld und das Handy in Ihrer Nähe. Gehen Sie nach Hause und warten Sie. Wir werden anrufen und Ihnen sagen, was Sie tun sollen. Wenn Sie unsere Forderungen nicht erfüllen, sehen Sie Ihre Tochter nie wieder. Sie bekommen keine zweite Chance.
     
    Der Satzbau war, gelinde gesagt, etwas seltsam. Ich las die Notiz dreimal und sah dann Edgar und Carson an. Eine eigenartige Ruhe überkam mich. Ja, es war erschreckend, aber diese Forderung zu erhalten … es war auch eine Erleichterung. Endlich war etwas passiert. Wir konnten etwas tun. Wir konnten Tara zurückholen. Es gab Hoffnung.
    Edgar stand auf und ging in die Zimmerecke. Er öffnete eine Schranktür und holte eine Sporttasche mit einem Nike-Logo heraus. Ohne jede Vorrede sagte er: »Hier ist es.«
    Er stellte mir die Tasche auf den Schoß. Ich starrte sie an. »Zwei Millionen
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