Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Keine Angst vor Anakondas

Keine Angst vor Anakondas

Titel: Keine Angst vor Anakondas
Autoren: Lutz Dirksen
Vom Netzwerk:
einem schmerzhafte Wunden zufügen, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Es besteht zudem die Gefahr einer Infektion. Früher haben Ratten die Pest verbreitet. Vor diesem historischen Hintergrund wäre die Abscheu vieler Menschen vor Ratten begründet. Unbeliebt sind auch Stechmücken. Das Heer der Moskitos saugt nicht nur unser Blut, sondern überträgt eine ganze Reihe todbringender Krankheitserreger. Hunderttausende Menschen sterben jedes Jahr durch diese Plagegeister. Aber von einer Moskitophobie habe ich noch nie gehört. Moskitos als Auslöser für panische Angst und Ekel – Fehlanzeige.
    Wenn die Ursache für die psychotischen Ängste vor Spinnen nicht in ihrer Giftigkeit liegt, was ist es dann? Psychologen erklären die Paranoia mit einer Kombination aus fremdartigem Körperbau und Verhalten: Spinnen haben acht lange haarige Beine und abstoßend wirkende Mundwerkzeuge. Sie krabbeln schnell, ruckartig, unberechenbar, mittels tastender Fortbewegungsweise. Es reicht oft schon, die Finger einer Hand spinnenartig zu bewegen, um einen Mensch mit Spinnenangst auf die Palme zu bringen. Da wir generell Fremdes instinktiv ablehnen, wird von Psychologen vermutet, dass wir dies umso mehr tun, je weiter Tiere genetisch vom Menschen entfernt sind. Biologen weisen jedoch darauf hin, dass diese Verschiedenheit ja genauso auf andere niedere Tiere zutreffe, die vom Menschen aber nicht mit gleicher Angst oder gleichem Abscheu bedacht werden. Eine ganz ähnliche Wirkung müssten dann zum Beispiel alle Insekten und Krebstiere erzeugen. Das tun sie aber nicht.
    Eine weitere Theorie aus der Psychologie besagt, dass die Urangst vor Spinnen, die sich in Jahrmillionen entwickelt habe, genetisch vererbt werde. Dann aber müssten alle Kulturen dieselbe Angst vor Spinnen haben. Dem ist aber nicht so. Es stellte sich heraus, dass die Phobie vor Spinnen insbesondere im Dunstkreis der westlich-christlichen Kulturen verbreitet ist. Sollte etwa, ähnlich wie bei den Schlangen, unser religiöser Hintergrund mitverantwortlich für die Angst vor Spinnen sein? Gräbt man tiefer, treten erstaunliche Ansichten über die Spinnen zutage: Im Christentum wurden und werden sie mit Pest, Tod und Satan in Verbindung gebracht. Noch im 16. Jahrhundert glaubte selbst der bekannte Mediziner Paracelsus, dass Spinnen im Blut menstruierender Frauen entstünden und vom Teufel höchstpersönlich ausgebrütet würden. Das Gift der Spinnen sollen böse Hexen benutzt haben, um Männer ihrer Zeugungsfähigkeit zu berauben. Die Angst vor Spinnen scheint tatsächlich stark in unserer christlichen Kultur verwurzelt zu sein, die von Generation zu Generation (unterbewusst) weitergegeben worden ist.
    Wir übernehmen Informationen unserer Vorfahren, auch wenn sie falsch sind. Beispiele dafür gibt es viele. So sollen drei Hornissenstiche ausreichen, um einen Menschen zu töten. Hornissen sind jedoch nicht annähernd so giftig, wie es immer wieder heißt. Als Kinder wurden wir auch vor Libellen gewarnt, weil die angeblich stechen können. Wenn wir das tiefe Brummen der Libellen hörten, liefen wir ängstlich weg. Das war unnötig, denn Libellen können gar nicht stechen.
    Umfragen haben ergeben, dass Kinder weit weniger Angst vor Spinnen zeigen, wenn die Eltern ein relaxtes Verhältnis zu diesen Krabblern haben. Umgekehrt lässt es sich statistisch belegen, dass bei Spinnen-Phobikern meist wenigstens ein Elternteil hypernervös bis ängstlich auf Spinnen reagiert. Die Spinnenangst wird folglich nicht genetisch vererbt, sondern das Verhalten wird von den Eltern auf die Kinder übertragen.
    Geschürt werden Ekel und Angst durch eine nach Quoten heischende Berichterstattung in den Medien und Horrorfilme über Spinnen, die mit der Realität nichts mehr gemein haben. Wer sich zum Beispiel am Dschungelcamp erfreut und über den Tellerrand des Pseudo-Gruselns schaut, kann beobachten, dass immer wieder Spinnen eingesetzt werden – die den C-Promis nichts tun.
Vogelspinnen zum Kuscheln
    Bei den großen, zotteligen Vogelspinnen scheiden sich erstaunlicherweise die Geister. Für einige sind sie das Musterbeispiel einer Spinne, die in Angst und Schrecken versetzt. Andere fürchten sie weit weniger als kleine, flinke Spinnen. Zu Recht, denn die giftigsten sind verhältnismäßig unscheinbar. Tatsächlich ist das Gift der Vogelspinnen nicht annähernd so gefährlich, wie allgemein angenommen wird, und soll von der Giftwirkung her dem Stich einer Wespe oder Hornisse ähnlich sein.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher