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Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa

Titel: Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Autoren: Dora Heldt
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Notfall.«
    »Hat es was mit mir zu tun?«
    Warum waren so viele Männer eigentlich so egozentrisch? Langsam drehte ich den Kopf, musterte ihn, richtete den Blick wieder
     nach vorne und zog ein letztes Mal, bevor ich mich vorbeugte und die Zigarette in den mit Sand gefüllten Blumentopf drückte.
    »Nein.« Ich lehnte mich wieder an die Hauswand. »Es hat gar nichts mit dir zu tun. Und eigentlich war es auch kein Notfall.«
    Die Spätsommersonne schien mir ins Gesicht und die Backsteinwand wärmte meinen Rücken. Tom trug schon wieder diesen sackartigen
     Pullover. Er musste doch schwitzen. Stattdessen sagte er in einem etwas leidenden Ton: »Beate hat in ihrem ganzen Leben noch
     nie geraucht. Sie isst auch kein Fleisch.«
    »Toll.«
    Er ignorierte meine zugegebenermaßen blöde Antwort und fuhr fort: »Christine, wir müssen reden.«
    Ich musste nicht. Ich hatte noch nicht einmal Lust dazu. Es war so schön hier, die Sonne von vorn, die warme Wand von hinten,
     diese Stille, dieser Frieden   …
    »Wir müssen über diese Nacht reden.«
    Hatte er eigentlich vor dreißig Jahren auch schon diese nervige Tonlage gehabt? Er betonte die einzelnen Wörter so komisch.
     Und er war so furchtbar angestrengt. Es lag vielleicht an diesem dicken Wollpullover. Der nahm ja auch alles Leichte von ihm.
    »Christine!«
    »Ja, Tom.« Ich öffnete die Augen und setzte mich gerade hin. »Was müssen wir denn besprechen? Wo liegt das Problem?«
    »Ach, diese Nacht.« Seine Stimme klang gepresst. »Wir haben da einen Fehler begangen.«
    Ich drehte mich langsam zu ihm, sagte: »Tom«, und atmete tief durch.
    Er zupfte konzentriert und ohne den Blick zu heben die Wollmäuse von den Pulloverärmeln ab.
    »Ja?«
    »Wir lagen aus Versehen besoffen in Klamotten auf einem Bett. Wir sind Mitte vierzig. Okay, deine Mutter und meine Eltern
     sind hier, aber ich bin mir sicher, sie haben nichts mitbekommen. Also, wo ist das Problem?«
    Unsicher blickte er mich an. »Mehr ist nicht passiert?«
    War er vor dreißig Jahren schon genauso gewesen? Hatte ich ihn mir nur so cool erträumt? Erinnerung verklärt doch vieles.
    »Nein. Mehr ist nicht passiert. Erstens waren es zu viel Promille, und zweitens haben wir uns gar nicht ausgezogen. Du kannst
     wirklich ganz beruhigt sein. Was ist eigentlich mit dir los? Hast du Angst, ich könnte schwanger sein?«
    Er zuckte erschrocken zusammen. Ich war mir sicher, dass dieser Gedanke ihm jetzt das erste Mal kam. Ich verbiss mir das Lachen
     und legte meine Hand auf seinen Arm. »Also bitte. Wie gesagt, wir sind Mitte vierzig. Und außerdem: wenn ich nun ein Kind
     von dir erwarten würde, wäre das die erste unbefleckte Empfängnis seit über 2000   Jahren.«
    Der Witz kam überhaupt nicht an, ich merkte das an seinem immer noch verkniffenen Gesicht. »Ich möchte einfach nicht, dass
     du dir Hoffnungen machst. Du hast ja gesagt, dass du damals sehr verliebt in mich warst. Aber siehst du, Christine, in der
     Zwischenzeit haben wir uns stark verändert, und ich glaube nicht, dass es mit uns gut gehen würde. Ich hänge noch zu sehr
     an Beate.«
    Ich schickte ein kleines Dankeschön an Beate und überlegte kurz, wie dämlich ich seinerzeit gewesen sein musste. Monatelang
     hatte ich schwersten Liebeskummer gehabt. Und der war mit sechzehn genauso schlimm wie später. Sehr langsamstand ich auf und sah mit der größtmöglichen Grandezza auf ihn herab.
    »Lass nur, Tom. Ich mache mir keine Hoffnungen. Und ich drücke dir alle Daumen, dass du Beate irgendwie wieder bekommst. Und
     übrigens, du solltest tatsächlich mal einen der Pullover anprobieren, die deine Mutter für dich gekauft hat. Schlechter als
     der hier können die nicht sein.«
    Mit dem Gefühl der Erleichterung ließ ich meine Jugendliebe auf der Bank sitzen und ging zur Pension zurück. In der Küche
     stand Hans-Jörg an der Arbeitsplatte und rollte mit aller Inbrunst die flachen Kalbsschnitzel zusammen. Er war allein.
    »Ist Adelheid schon weg?«
    Ich lehnte mich an den Kühlschrank und sah unserem Jungkoch beim Rollen zu. Er schob einen Holzspieß durch das Fleisch und
     legte es vorsichtig auf den Teller, auf dem bereits eine ganze Reihe dieser Gebilde lagen.
    »Adelheid ist mit Herrn Bernd weggegangen. Das macht sie ja jeden Tag. Die werden wohl ein Liebespaar, oder?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Ja, vielleicht.«
    Um diese Geschichte sollte ich mich dringend kümmern, ich hatte es schon verdrängt. Die arme Adelheid erlebte gerade ihren
    
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