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Kein Weg zurück

Kein Weg zurück

Titel: Kein Weg zurück
Autoren: Natalie Schauer
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mit einem Lächeln durch die Welt und das kalte, schwarze Ding in seinen Händen hatte seine Bedeutung verloren. Er versteckte die Pistole wieder unter der Matratze, denn er brauchte sie nicht mehr, er war jetzt ein Gewinner - ja, er, Jonathan war endlich ein Gewinner. 15 Jahre lang stand er auf der Verliererseite, doch mit Josephine war nun alles anders geworden. Seine Hände wurden nass, er spürte wie sein Herz zu klopfen begann, er schwebte auf einer Wolke, einer Glückswolke. Langsam ging er nach unten zu seiner Mutter und seinem Vater, die wie jeden Tag um Punkt fünf Uhr zu Abend aßen. Sein Vater saß bereits auf seinem Platz, seine Krawatte gelockert wie immer. Beide sprachen nicht, sie hatten sich schon seit Jahren nichts mehr zu sagen. Wortlos saßen sie da - seine Familie und er. Er hasste diesen Anblick, diese Spießigkeit und die Düsternis in dieser Bude, die eigentlich sein Zuhause sein sollte. Die Vorhänge ließen kein Licht in die Küche, die Möbel waren dunkel und die Küche stank nach abgestandenem Essen. Nach außen hin waren sie eine perfekte Familie. Sein Vater, der alte Sack, ging täglich seiner langweiligen Arbeit im Finanzamt nach. Hatte nichts anderes als Anzug und Krawatte und selbst im Sommer bei 30 Grad zog er die Tennissocken, die er dazu trug, nicht aus. Seine Mutter, die seinen Vater zu einem verweichlichten Versager gemacht hatte, wollte immer Perfektion. Es musste alles so sein, wie sie es sich vorstellte. Schon als Jonathan noch ein Kleinkind war, trimmte sie ihren kleinen Liebling zu Bestleistungen. Er spielte kein Fußball und musste immer und überall vorsichtig sein. Damals dachte er nicht darüber nach, aber heute wusste er, dass es nicht normal war, wie sie Jonathan behütete. Sie sah ihn an und fragte, wie sein Tag gewesen war, aber er antwortete nicht. Er lachte innerlich, denn seine kleinkarierte Welt würde er von nun an hinter sich lassen. Er hatte eine Freundin - er hatte Josephine. Vergessen war die Liste, die schwarze Liste mit den Namen, die es auszulöschen galt.
     
    Nach der Grundschule ging Jonathan auf das städtische Gymnasium, für seine Mutter war das eine Selbstverständlichkeit. Ihr Liebling, der so gebildet war, musste natürlich auf das Gymnasium. Für Jonathan wäre das nicht wichtig gewesen, denn er wusste, eine neue Schule bedeutete auch neue Schüler, die ihn wieder hänseln würden. Es gab viel zu hänseln an Jonathan. Er war ein dünner, blonder Junge mit Sommersprossen. Sein Körper war schlaff, er sah aus, als hätte er keinerlei Muskeln, und seine Haut war weiß wie Schnee. Im Sommer bekam er natürlich sofort einen Sonnenbrand. Doch an seine Klassenkameraden hatte er sich langsam gewöhnt und sie ließen ihn die meiste Zeit in Frieden. Dann kam das Gymnasium und schon beim Schnuppertag wurde ihm mulmig. Er erinnerte sich daran bis heute: Seine Mutter begleitete ihn, was nicht so schlimm gewesen wäre, denn auch die anderen Neulinge hatten ihre Mütter dabei. Das Schlimme daran war, dass seine Mutter mit ihm Hand in Hand durch die Schule ging. Nach fünf Minuten war er die Lachnummer der Klasse. Sie saßen bereits alle in ihrem zukünftigen Klassenzimmer, als plötzlich Josephine in den Raum kam. Sie kam alleine, selbstbewusst und frech. Sie trug ein Sommerkleid, Flip-Flops und ihre Haare umrahmten ihr braungebranntes Gesicht. Jonathan wusste noch genau, wie er gedacht hatte, dass dieses Mädchen gerade aus dem Urlaub kommen musste. Vielleicht war sie in Ägypten gewesen oder in einem anderen Land, von dem Jonathan gehört hatte, aber niemals selbst dort gewesen war. Seine Eltern hassten die Hitze und gingen nie ins Frei- oder Hallenbad, deshalb konnte Jonathan auch nicht schwimmen. Er beobachtete das kecke Mädchen, in das er sich von der ersten Sekunde an verliebt hatte, und hoffte, sie würde ihn sehen und mit ihm sprechen, doch es sollte noch Jahre dauern, bis es dazu kam. Von nun an saß Jonathan immer eine Reihe hinter Josephine und atmete täglich den Duft ihres Haares ein, das nach Pfirsich oder Erdbeere roch. Josephine war anders als die anderen in der Klasse. Sie hatte etwas Abenteuerliches, stellte immer etwas an und schien sich einen feuchten Dreck um ihre Noten zu kümmern. Josephine lebte bei ihrer Großmutter, da ihre Mutter eine Sängerin und immer auf der ganzen Welt unterwegs war. Das war die Version, die Josephine ihren Klassenkameraden erzählte. Doch es wurde gemunkelt, dass ihre Mutter drogenabhängig und kurz nach der
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