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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere
Autoren: Carsten Ness
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der Straße und eine möglichst kreuzungsfreie Straßenführung. Aber auch diese kontinuierlichen Bemühungen der letzten Jahrzehnte hatten der »Bitburger« ihr Gefahrenpotenzial nicht nehmen können. Buhle sah ein verlassenes Haus am Straßenrand stehen. Die leer stehenden Häuser der geopferten Ortschaften zeugten davon, dass die Anwohner jegliche Hoffnung auf eine Besserung ihrer Lebensqualität an dieser Hauptverkehrsader der Region aufgegeben hatten.
    Marie Steyn konzentrierte sich auf den Verkehr und fluchte, als der Hintermann ihr in der Tempo-Fünfzig-Zone von Windmühle selbst bei fast achtzig Stundenkilometern bis auf die Stoßstange fuhr. Es nutzte ihm nichts: Den letzten Kilometer bis zur Abzweigung kurz vor Schwarzkreuz musste er sich der nicht gerade geringen Geschwindigkeit von Maries Wagen anpassen. Schon nach wenigen Metern auf der Ausfahrtspur sah Buhle den getunten Golf vorbeischießen. Er wollte sich gerade darüber echauffieren, als ein Seitenblick auf Marie ihm verriet, dass sie den Idioten schon wieder vergessen hatte.
    »Was machen wir, wenn Suzanne Altmüller auch etwas zugestoßen ist?«
    Buhle antwortete nicht sofort. Er hatte gerade im Vorbeifahren den Namen auf dem Ortsschild identifiziert. Er hatte noch nie etwas von »Kunkelborn« gehört, geschweige denn, dass er schon jemals hier gewesen war.
    »Warte erst einmal ab, Marie. Es ist gegen jede Wahrscheinlichkeit, dass sich derartige Katastrophen drei Mal innerhalb einer Familie wiederholen. Bestimmt ist der Mutter nur etwas Unvorhergesehenes dazwischengekommen und sie taucht bald wieder auf.«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht ist doch alles kein Zufall?«
    Sie hatten schon wieder die wenigen Häuser von Kunkelborn hinter sich gelassen. Marie zeigte ohne weitere Worte auf eine Weide. Dunkle Spuren im sattgrünen Gras führten vom Straßenrand diagonal bis zum nahen Waldrand.
    »Ist Altmüller hier verunglückt?«
    Marie nickte stumm.
    Kurz darauf bog sie unvermittelt von der schmalen Landstraße in einen asphaltierten Feldweg ab. Irgendwann musste jemand der Meinung gewesen sein, an diesem einsamen Hang einen geeigneten Siedlungsplatz gefunden zu haben. Doch bevor Buhle sich darüber wundern konnte, hatten sie schon das letzte der drei Häuser erreicht. Marie parkte ihr Auto vor einer baufälligen alten Scheune. Sie schaute Buhle einen Moment sorgenvoll in die Augen, bevor sie ausstieg und direkt auf die Eingangstür des alten Bauernhauses zuging. Buhle beeilte sich, ihr zu folgen, wobei er routinemäßig versuchte, schnell die örtliche Situation zu erfassen.
    Er fand nichts Auffälliges. Das Wohnhaus war mit Weinreben und wildem Wein vollständig zugewachsen. Nur die blauen Fenster waren freigeschnitten worden. Eine Rebe reichte quer zu einem angrenzenden renovierten Bauernhaus rüber. Auch der ortstypisch gefertigte Türrahmen aus rotem Sandstein war zum Teil von den Rankpflanzen überwuchert. So konnte Buhle nur mit Mühe die Jahreszahl über der Tür lesen: 1949. Also noch gar nicht so alt, stellte er für sich fest.
    Marie hatte direkt versucht, die in der unteren Hälfte mit drei großen Rauten verzierte Eichentür zu öffnen. Erst als sie feststellte, dass sie verschlossen war, schaute sie durch eines der länglichen Türfenster und klopfte fest an das andere. Als sich nichts rührte, ging sie zwei Schritte zurück und schaute auf die Fenster in der oberen Etage.
    »Gibt es keine Klingel?«
    »Nein. Ich überlege gerade, welches Fenster zu Zoés Zimmer gehören muss. Ich glaube, das linke. Genau, Zoé hatte erzählt, dass sie vor dem Winter noch schnell ein neues Fenster einbauen mussten, weil es durch das alte total zog. Schau, es ist das einzige weiße Fenster in dem Wohnhaus.« Marie formte ihre Hände zu einem Trichter vor ihrem Mund und rief: »Zoé! Frau Lenz!« Sie wartete einen Moment »Zoé! Frau Lenz! Hier ist Marie Steyn!«
    Nach wenigen Sekunden erschien hinter der Fensterscheibe das schemenhafte Gesicht einer älteren, grauhaarigen Frau. Mit Handbewegungen deutete sie ihre Erleichterung über das Erscheinen von Marie an und dass sie nach unten kommen würde. Kurz darauf öffnete sich die Haustür.
    »Frau Steyn. Gut, dass Sie da sind. Das war die längste halbe Stunde meines Lebens. Kommen Sie, Zoé ist oben. Sie hat sich in der Zeit keinen Millimeter bewegt. Ich hab mich nicht getraut, mich ihr weiter als bis auf einen halben Meter zu nähern. Kommen Sie.«
    Silvia Lenz schien Buhle gar nicht zu registrieren. Sie
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