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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere
Autoren: Carsten Ness
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Blick wurde noch eine Spur ernster. »Ich weiß nicht. Die Familie fällt momentan von einer Katastrophe in die andere. Vor zwei Monaten ist Zoés kleine Schwester Anne an einem ungeklärten Virus erkrankt und kurz darauf gestorben; ausgerechnet an Zoés Geburtstag. Und dann ist vor gut einer Woche ihr Vater mit dem Auto tödlich verunglückt. Nur ein paar hundert Meter von ihrem Haus entfernt. Hast du davon nichts mitgekriegt?«
    Buhle schüttelte den Kopf. »Nein, habe ich nicht.«
    »Du kannst dir vorstellen: Das Kind ist völlig traumatisiert. Und jetzt ist auch noch die Mutter verschwunden.« Marie hatte schon ihre Jacke übergeworfen und sich die Tasche unter den Arm geklemmt.
    »Wo wohnt sie?«
    »In Merteskaul. Das ist ein kleines Gehöft auf halben Weg nach Bitburg. Ich muss jetzt los. Sorry.«
    »Soll ich besser mitkommen?«
    »Und das Konzert?«
    Buhle zog sich bereits sein Jackett über, holte die beiden Tickets aus der Innentasche und drehte sich zu dem Nachbartisch, an dem zwei junge Frauen saßen. »Bruckner und Fauré! Sollten Sie sich nicht entgehen lassen.« Mit diesen Worten ließ er die Eintrittskarten auf den Tisch gleiten und wendete sich von den verdutzten Frauen ab. »Wir sollten nicht länger warten.«
    Ohne ein weiteres Wort drückten sich beide an der verblüfften Bedienung vorbei zur Ausgangstür.
    Maries Auto stand in geringer Entfernung auf dem Augustinerhof. Sie verließ den Parkplatz zwischen dem Rathaus und dem alten Bunker in Richtung der Römerbrücke. Es dauerte knapp zehn Minuten und drei Rotphasen, bis sie sich endlich durch den Feierabendverkehr bis zur Bitburger Straße durchgeschlagen hatten. Aber auch hier ging es nur langsam die Serpentinen hinauf, entlang der roten Buntsandsteinfelsen, die die Autofahrer auf ihrem Weg aus dem Moseltal auf die Höhen des Bitburger Gutlandes begleiteten. Buhle merkte, dass Marie jetzt ganz die Psychologin und gedanklich bereits bei ihrer Klientin war. Genauso spürte er, dass er selbst ganz automatisch in seine Rolle als Polizist geschlüpft war.
    Als sie die Anschlussstelle zur A 64 überquert hatten und zwischen dem Gewerbegebiet Sirzenich und einem Naturschutzgebiet auf einem geraden Streckenabschnitt der Bundesstraße fuhren, ergriff er das Wort: »Marie, gab es bei den beiden Todesfällen irgendwelche Anhaltspunkte für Fremdverschulden?«
    »Das fragst du?« Marie schien noch in Gedanken, und ihr Tonfall war etwas unwirsch. »Hättest du doch sicher was von gehört, oder?«
    »Wahrscheinlich schon. Nur, wenn die Wittlicher Kollegen damit zu tun hatten und nichts Außergewöhnliches entdeckt wurde, kommt es nicht zwangsläufig bei uns an.«
    »Ich weiß nichts von derlei Vermutungen. Soweit ich weiß, haben es alle als ein furchtbares Zusammentreffen zweier tragischer Ereignisse angesehen. Obwohl Suzanne, die Mutter von Zoé, auf den Tod ihres Mannes deutlich anders reagiert hat als zuvor bei der Tochter.« Marie überlegte. »Ja, es kam mir schon so vor, als ob da bei aller Trauer auch so etwas wie Skepsis oder Unruhe mitschwang. Aber wir haben hauptsächlich über Zoé gesprochen.«
    »Wie heißt die Familie genau?«
    »Altmüller. Alexander Altmüller ist mit dem Auto verunglückt und vorgestern beigesetzt worden. Anne Altmüller ist gerade mal drei Jahre alt gewesen, als sie starb. Wie schon gesagt, vor zwei Monaten. Zoé ist die achtjährige Schwester. Die Mutter, Suzanne John-Altmüller, ist übrigens eine gebürtige Luxemburgerin.«
    Buhle überlegte, ob er den Namen Altmüller irgendwann gehört hatte, konnte sich aber nicht erinnern. Nur den tödlichen Unfall hatte er nebenbei registriert, weil er nicht auf der als Todesstrecke verschrienen B 51 geschehen war, sondern auf einer kleinen Nebenstraße.
    »Hast du bei der Mutter irgendetwas bemerkt, das mit ihrem Verschwinden im Zusammenhang stehen könnte?«
    Marie schüttelte jetzt energisch den Kopf, und ihre Locken wirbelten unter dem Autodach umher. »Nein. Ich kann auch nicht glauben, dass sie ihre Tochter jetzt alleinlassen würde. Ich mag gar nicht daran denken, aber … ich habe einfach ein Scheißgefühl.«
    Sie passierten den kleinen Ort Hohensonne, der durch die Bundesstraße in zwei Teile zerschlagen war – ein Los, das er mit anderen Weilern an der mit täglich rund zwanzigtausend Autos und Lkws befahrenen B 51 teilte. Lediglich Helenenberg hatte bislang die lang ersehnte Ortsumgehung erhalten. Doch vorrangig schienen den Verkehrsplanern der dreispurige Ausbau
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