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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere
Autoren: Carsten Ness
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Bruckner ernten, heißt es doch, oder? Schließlich hast du mich vor zwei Monaten in mein erstes Symphoniekonzert gelockt. Das hast du jetzt davon.« Buhle versuchte, einen scherzhaft vorwurfsvollen Unterton in seine Stimme zu legen. Doch auch wenn für ihn vieles in den vergangenen Monaten einfacher geworden war, locker war er im privaten Umgang mit Frauen noch lange nicht.
    Er hatte Marie Steyn im November des letzten Jahres kennengelernt; als Frau des Hauptverdächtigen in einem Mordfall oben in der Domäne Avelsbach. Während der für ihn äußerst wechselhaften Ermittlungen waren sie sich nähergekommen, und der promovierten Psychologin war etwas gelungen, woran er und andere über zwei Jahrzehnte gescheitert waren: Sie hatte seine verschlossene Schale einen Spalt weit geöffnet. Aber nicht weiter. Nach Abschluss des Falls hatten sie sich regelmäßig getroffen, und Christian Buhle versuchte seitdem, seine sich verändernde Gefühlswelt zu verstehen. Doch seine Unsicherheiten prägten weiterhin ihre Treffen. Er war Marie für ihre Geduld dankbar. Beide wussten, dass er noch viel Zeit brauchen würde, das traumatische Ereignis in seiner Jugend zu verarbeiten und sich anderen Menschen gegenüber wirklich öffnen zu können.
    »Meinst du, uns erwartet schwere Kost?«, fragte Buhle. »Jetzt hab ich jedenfalls Hunger. Pizza oder Auflauf?«
    Auf vorbereiteten Zetteln konnte man sich die Pizza hier in der Kneipe seit ewigen Zeiten selbst zusammenstellen. Es schien ein Reiz damit verbunden zu sein, der Generationen überdauert hatte. Irgendwann waren dann Aufläufe dazugekommen. Ansonsten war die Speisekarte eher übersichtlich gestaltet.
    Marie schüttelte betont lange den Kopf und schob ihre Unterlippe leicht vor. »Also ich versuche mal die indische Ingwersuppe und dazu den Salat mit gerösteten Kürbiskernen.«
    Buhle schaute von seinem Pizza-Bestellzettel auf. »Wo hast du das denn gefunden?«
    Marie hielt die Saisonkarte hoch und ließ sie mit einem Lachen gleich wieder unter dem Tisch verschwinden. »Bleib du ruhig bei deinen ausgewählten Speisen. Das hier ist sicher viel zu experimentell für dich«, spottete sie, wobei sie das »ausgewählt« leicht hämisch betonte. Dann reichte sie ihm doch das laminierte Blatt über den runden Holztisch und hatte dabei sichtlich Spaß. Buhles Blick streifte sie möglichst unauffällig. Danach war er sich sicher, dass Marie sich wirklich über ihr Treffen freute.
    Kaum hatte er sich in die exotisch anmutenden Gerichte der Sommerkarte vertieft, klingelte ein Handy. Automatisch fuhr seine Hand zur Seitentasche seines Jacketts.
    »Es ist mein Handy. Hoffentlich sind es nicht die Kinder«, hörte er Marie sagen. Sie verdrehte dabei ihre fast schwarzen Augen, aber Buhle konnte erkennen, dass sich auch eine Spur Angst in ihnen widerspiegelte. Er wusste nur zu gut, dass die ganze Familie Steyn eine sehr schwierige Zeit hinter sich hatte und noch nicht alle Ängste überwunden waren. Sie schaute auf das Display und schüttelte als Reaktion auf seinen abwartenden Blick kurz den Kopf.
    »Marie Steyn, hallo! … Ach, Frau Lenz, Sie sind es. … Waaas?« Maries Gesichtsausdruck war innerhalb eines Augenblicks absolut ernst geworden. Buhle legte die Speisekarte beiseite und hörte dem Telefonat zu.
    »Sie sind sicher, dass ihre Mutter nicht in der Nähe ist? … Und Zoé hat nichts zu Ihnen gesagt?« Marie atmete schwer aus, als ob sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. »Nein, ich komme sofort zu Ihnen raus. Allerdings bin ich gerade mitten in Trier, das wird also fast eine halbe Stunde dauern, bis ich bei Ihnen bin. … Ja, bleiben Sie auf jeden Fall bei dem Mädchen. … Sie brauchen nicht viel zu reden, wahrscheinlich sagt sie jetzt sowie nichts. Aber zeigen Sie, dass Sie für sie da sind. … Okay, ich fahre sofort los. Und halten sie am besten alle Türen verschlossen, bis ich da bin; nur zur Sicherheit. Bis gleich.«
    Marie schaute mit zusammengepressten Lippen auf Buhle. »Es tut mir leid, aber ich muss sofort los. Ein Kind, das ich gerade betreue, ist von ihrer Nachbarin allein und völlig verängstigt in seinem Elternhaus vorgefunden worden. Von seiner Mutter gibt es keine Spur.« Sie machte eine kleine Pause. »Tja, normalerweise ist das ja euer Privileg, wegen eines Falls ein Rendezvous platzen zu lassen, aber glaub mir, auf diesen Rollentausch hätte ich jetzt furchtbar gerne verzichtet.«
    »Hört sich nicht gut an. Meinst du, da ist etwas passiert?«
    Maries
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