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Kein Spaß ohne Hanni und Nanni

Kein Spaß ohne Hanni und Nanni

Titel: Kein Spaß ohne Hanni und Nanni
Autoren: Enid Blyton
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würde sie bemerken und hereinkommen. Im Augenblick konnte sie einfach keinen Menschen ertragen.
    Sie ging zu einem der kleinen Tische und stützte ihre Arme auf. Plötzlich stieß sie an etwas – es war ein Geigenkasten. Mit zitternden Händen öffnete sie das Schloss, klappte den Deckel hoch und nahm die Geige beinahe zärtlich in die Hand.
    Und dann war das kleine Zimmer voll Musik. Marianne spielte und spielte. Die Melodien trösteten sie und ließen sie all ihren Kummer vergessen. In diesem Moment fühlte sie sich fast glücklich.
    Jetzt geht es mir schon viel besser, dachte sie. Ich habe nie gewusst, wie sehr ich die Musik brauche. Wo steht eigentlich das Klavier? Warum habe ich nicht schon viel früher daran gedacht, hierherzukommen?
    Marianne tastete sich hin zum Klavier und schlug behutsam ein paar Takte an. Aus dem Gedächtnis spielte sie Stücke, die zu ihrer gedrückten Stimmung passten.
    Plötzlich hörte sie einen Laut. Sofort ließ sie die Finger von den Tasten gleiten. Ihr Herz klopfte. Ein unterdrücktes Schluchzen erklang.
    „Wer ist da?“, fragte Marianne mit leiser Stimme. Niemand antwortete. Aber da waren vorsichtige Schritte, nach der Tür hin. Wer hatte sich in den Raum geschlichen? Marianne sprang auf und rannte zur Tür. Sie packte die unsichtbare Gestalt und schüttelte sie.
    „Ich – Carla“, ertönte es gepresst. „Ich saß allein im Dunkeln, als du hereinkamst. Ich wusste nicht, dass du spielen wolltest. Ich wollte auch sofort gehen. Aber du hast so wunderschöne Musik gemacht, dass ich einfach bleiben musste. Und dann wurde ich traurig und fing an zu weinen.“
    „Du heulst aber auch immer. Was ist nur los mit dir?“
    „Ich sage es dir nicht“, erwiderte Carla. „Du verrätst es den andern und die lachen mich aus. Ich weiß, sie nennen mich das Unglücksmädchen. Das ist gemein. In meiner Lage wären sie auch unglücklich.“
    „In deiner Lage? In was für einer Lage bist du denn?“, fragte Marianne, deren Neugier geweckt war. „Komm, sag es mir. Ich mache mich bestimmt nicht über dich lustig.“
    „Aber bitte knips das Licht nicht an. Ich möchte es dir lieber erzählen, ohne dich anzuschauen.“
    „Du bist schon ein seltsames Mädchen“, meinte Marianne. „Sag endlich, was mit dir los ist!“
    „Es ist wegen meiner Mutter“, sagte Carla. „Sie ist sehr krank, sie liegt schon ein paar Wochen im Krankenhaus und niemand weiß, ob sie je wieder gesund wird. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich sie liebe. Weißt du, ich habe weder Vater noch Geschwister noch sonst irgendwen – nur meine Mutter. Noch nie bin ich von ihr weg gewesen, noch nicht einmal für eine Nacht. Und jetzt sind wir schon so lange voneinander getrennt. Ich habe schreckliches Heimweh und ich möchte so gern zu Hause sein – oder wenigstens in ihrer Nähe ...“
    Carla brach wieder in Tränen aus, sie schluchzte so sehr, dass Marianne ihren eigenen Kummer vergaß. Sie hätte gern etwas Tröstliches gesagt. Aber es fiel ihr einfach nichts ein.
    „Beruhige dich doch“, sagte sie schließlich und fügte hinzu: „Würdest du mit mir tauschen? Mich haben meine Eltern aus dem Haus geschickt, damit ich sie und meine kleinen Geschwister nicht mehr belästige. Damit muss ich fertig werden! Du siehst, ich bin noch viel schlechter dran als du!“
    Carla hob den Kopf. Zum ersten Mal, seit sie in Lindenhof war, ging sie aus sich heraus. Wütend fuhr sie Marianne an: „Du glaubst, du seist schlechter dran als ich – du weißt gar nicht, wie gut du es hast! Du besitzt einen Vater und eine Mutter, einen Bruder und eine Schwester, und alle haben dich gern, und du kannst sie gern haben. Und ich habe nur meine Mutter und sogar die haben sie mir weggenommen. An deiner Stelle würde ich mich ganz anders benehmen, das kannst du mir glauben. Ich würde mich so verhalten, dass meine Eltern und Geschwister nur Freude an mir hätten. Du solltest dich wirklich schämen.“
    Marianne war starr vor Staunen. Sie hatte nie erwartet, dass die stille, sanfte Carla so energisch sprechen könnte. Carla stand auf und ging zur Tür.
    „Es tut mir leid“, sagte sie schüchtern, als sie die Hand auf die Klinke legte. „Du bist unglücklich – und ich bin unglücklich –, und vielleicht sollte ich dich bedauern und dich trösten. Aber du hast an allem selber schuld – und ich nicht! Das ist der Unterschied zwischen uns!“
    Die Tür schlug zu und Marianne blieb allein zurück. Ganz still saß sie da und dachte nach. Sie
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