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Kein Öl, Moses

Kein Öl, Moses

Titel: Kein Öl, Moses
Autoren: Unbekannter Autor
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begegnet.«
    »Muß er ihnen unbedingt begegnen? Es gibt ja noch andere.«
    »Dann werden ihn eben die anderen zerfetzen.«
    »Aber warum?«
    »Schauen Sie bei Kafka nach. Der hat viele Bücher darüber geschrieben.«
    »Kafka?«
    »Ja. Er war unter anderem ein großer Humorist. Noch die trockensten Stellen seiner Romane sind besser als eine ganze Serie von Witzen.«
    »Da fällt mir ein - kennen Sie die Geschichte von dem katholischen Priester, dem mohammedanischen Kadi und dem Rabbi, die zusammen in einem Flugzeug sitzen und -«
    »Was sagt der Rabbi?«
    »Wie bitte?«
    »Ich weigere mich, die ganze lange Geschichte anzuhören, bis wir zum Rabbi kommen. Was sagt der Rabbi am Schluß?«
    »Er sagt: >Also gut<, und springt mit dem Regenschirm hinaus.«
    »Großartig.«
    »Man hat mich gewarnt, daß Sie im Privatleben überhaupt keinen Humor haben. Was macht Sie so traurig?«
    »Ich bin nicht traurig. Ich habe nur ein trauriges Gesicht.«
    »Angeblich sind Humoristen immer traurig.«
    »Sie sind es nicht. Vielleicht einsam. Oder nachdenklich. Dieser sonderbare Beruf verlangt das Herausschälen der Wahrheit aus den vielen Schichten, von denen sie überlagert wird. Man schält und schält. Und eines Tages merkt man, daß das genaue Gegenteil von dem, was man in der Schule gelernt hat, richtig ist: Lügen haben lange Beine. Ehrlichkeit ist die Ausrede der Feiglinge. Deine Freunde sind deine Feinde. Jemandem einen Gefallen zu tun ist der sicherste Weg, seinen Haß zu erregen. Güte ist Schwäche. Brutalität ist Stärke. Geld ist alles. Gott -«
    »Hören Sie auf! Wie kann man so fürchterliche Dinge aussprechen?«
    »Als Humorist kann man. Der Humorist ist ja nicht ernst zu nehmen. Und merkwürdigerweise klingen alle diese fürchterlichen Dinge gar nicht so fürchterlich, wenn man sie in Humor verpackt. Dann kann man den Menschen die bitterste Wahrheit zu schlucken geben, und sie werden sich köstlich darüber amüsieren.«
    »Das sagen Sie nur, weil Sie die Menschen verachten.«
    »Ich verachte sie keineswegs. Ich versuche sie nur kennenzulernen. Und je gründlicher ich meine Illusionen über sie aufgebe, desto liebenswerter erscheinen sie mir. Es ist leichter, einen Lumpen zu lieben als einen Heiligen.« »In jedem Menschen steckt ein guter Kern.«
    »Gewiß. Den ganzen Tag lang ist er ein böser, grausamer Unhold - am Abend geht er ins Kino und vergießt heiße Tränen über das Benehmen eines bösen, grausamen Unholds auf der Leinwand. Da zeigt sich sein guter Kern. Im Kino. Wahrscheinlich nur im Kino.«
    »Sie sind ein unheilbarer Zyniker.«
    »Von Berufs wegen. Ich hasse niemanden. Und ich liebe das Kino.«
    »Ist Ihnen bewußt, daß Sie mit einem schweren ungarischen Akzent sprechen?«
    »Ja.«
    »Wie schreiben Sie?«
    »Von rechts nach links. Hebräisch.«
    »Wirklich? Und was für Eigenheiten haben Sie beim Schreiben?«
    »Keine. Es tut mir leid, Ihnen diesbezüglich nichts anbieten zu können, was das Publikum gerne hören würde. Weder schreibe ich in einer mit lauem Wasser gefüllten Badewanne zum Klang eines Streichquartetts, noch inspiriert mich der Vollmond hinter Wolken. Ich stehe an jedem Morgen um 6.30 auf, setze mich an den Schreibtisch und schreibe mit einem gut gespitzten Bleistift bis 10 Uhr von rechts nach links. Ich arbeite wie jeder andere Mensch.«
    »Klingt nicht sehr eindrucksvoll. Wo bleibt die Kunst, wo bleibt die Freude am Kreativen?«
    »Wer hat gesagt, daß mich das Schreiben freut?«
    »Was freut Sie denn sonst?«
    »Mich freut das fertige Produkt, der Augenblick, in dem ich den Schlußpunkt setze. Ich liebe das Baby, nicht die Geburtswehen. Und der Anblick der Regale mit meinen eigenen Büchern macht mich geradezu trunken vor Glück. Aber das Schreiben selbst ist eine freudlose, ermüdende Tätigkeit.«
    »Das glaube ich Ihnen nicht.«
    »Vergessen Sie's. Ich habe nur gescherzt.«
    »Dacht ich's doch... Was wollte ich Sie eigentlich fragen?« »Ob ich mich für einen Satiriker oder einen Humoristen halte.«
    »Stimmt. Wieso wußten Sie -?«
    »Erfahrung.«
    »Auch hier erhebt sich die Frage nach dem Unterschied.«
    »Die habe ich Ihnen ja schon beantwortet: Sowie der Humorist stirbt, wird er zum Satiriker erhoben. Die Zeit arbeitet für mich. Mir braucht nur ein Ziegelstein auf den Kopf zu fallen - und ein paar Tage später bin ich ein Satiriker. Vorläufig bin ich ein Humorist, der Satiren schreibt.«
    »Was bedeutet das schon wieder?«
    »Die Leute wollen keine Satiren. Sie wollen
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