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Kein Öl, Moses

Kein Öl, Moses

Titel: Kein Öl, Moses
Autoren: Unbekannter Autor
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gerammt, und er war zu Fuß nach Hause gegangen, quer durch die Stadt, zu Fuß.
    Die Blicke des Ministers richteten sich abwärts, dorthin, wo unterhalb der Bauchwölbung seine Füße sichtbar wurden, seine eigenen Füße, die sich rhythmisch bewegten, tapp-tapp, tapp-tapp, linker Fuß, rechter Fuß - jawohl, er wußte seine Füße noch zu gebrauchen. Er wußte noch, wie man auf der Straße geht. Ein gutes Gefühl. Nur die Schuhe sahen ein wenig fremdartig aus. Wo kamen sie her? Er hat sich doch noch niemals Schuhe gekauft, oder?
    Genaueres Nachdenken ergab, daß er selbst überhaupt keine Einkäufe tätigte. Was ist's mit diesen Schuhen?
    Er blieb vor dem Schaufenster eines Schuhgeschäfts stehen und starrte hinein. Seltsam. Ein völlig neuartiges Phänomen. Schuhe, viele Schuhe, Herren -, Damen- und Kinderschuhe, paarweise arrangiert, auf Sockeln, auf langsam rotierenden Drehscheiben, oder nur so.
    In plötzlichem Entschluß betrat der Minister den Laden, einen hohen, langgestreckten Raum mit Reihen bequemer Fauteuils und mit Regalen an den Wänden, und in den Regalen Schuhe, nichts als Schuhe.
    Der Minister schüttelte die Hand eines ihm entgegenkommenden Mannes:
    »Zufrieden mit dem Exportgeschäft?«
    »Mich dürfen Sie nicht fragen«, lautete die Antwort. »Ich suche Sämischlederschuhe mit Gummisohlen.«
    Der Minister sah sich um. Wie ging's hier eigentlich zu? Nahmen die Leute einfach Schuhe an sich oder warteten sie, bis der Kellner kommen würde?
    Eine Gestalt in weißem Kittel, vielleicht ein Arzt, trat an den Minister heran und fragte ihn, was man für ihn tun könne.
    »Schicken Sie mir ein paar Muster«, sagte der Minister leutselig und verließ den Laden.
    Draußen auf der Straße fiel ihm ein, daß er sich nicht zu erkennen gegeben hatte. Und daß er nicht von selbst erkannt wurde. Ich muß öfter im Fernsehen auftreten, dachte der Minister.
    Es wurde spät. Vielleicht sollte er in seinem Büro anrufen, damit man ihm irgendein Transportmittel schickt oder ihn abholt. Anrufen. Aber wie ruft man an? Und wenn ja: wo? Er sah weit und breit kein Telefon. Und hätte er eines gesehen, wüßte er's nicht zu handhaben. Das machte ja immer seine Sekretärin, die gerade heute nach Haifa gefahren war, in irgendeiner Familienangelegenheit. Außerdem wäre sie ja sonst in seinem Büro und nicht hier, wo es kein Telefon gab.
    Da - ein Glasverschlag - ein schwarzer Kasten darin - kein Zweifel: ein Telefon.
    Der Minister öffnete die Zellentür und hob den Hörer ab: »Eine Leitung, bitte.«
    Nichts geschah. Der Apparat schien gestört zu sein.
    Von draußen machte ihm ein kleiner Junge anschauliche Zeichen, daß man zuerst etwas in den Kasten werfen müsse.
    Natürlich, jetzt erinnerte er sich. Er ist ja Vorsitzender des Parlamentsausschusses für das Münz- und Markenwesen. Er kennt sich aus. Der Minister betrat den nächsten Laden und bat um eine Telefonmarke.
    »Das hier ist eine Wäscherei«, wurde ihm mitgeteilt. »Telefonmarken bekommen Sie auf dem Postamt.«
    Eine verwirrende Welt fürwahr. Der Minister hielt nach einem Postamt Ausschau und erspähte auf der jenseitigen Straßenseite einen roten Kasten an einer Häusermauer. Er wußte sofort, was das war. In solche Kästen tun die Menschen Briefe hinein, die sie vorher zu Hause geschrieben haben.
    »Entschuldigen Sie«, wandte er sich an eine Dame, die neben ihm an der Straßenkreuzung wartete, »bei welcher Farbe darf man hinübergehen?«
    Er ist ziemlich sicher, daß sein Wagen immer bei grünem Licht losfährt. Aber gilt das auch für Fußgänger?
    Der Menschenstrom, der sich jetzt in Bewegung setzte, schwemmte ihn auf die gegenüberliegende Straßenseite mit. Dort, gleich neben dem roten Kasten, entdeckte er ein Postamt, trat ein und wandte sich an den nächsten Schalterbeamten:
    «Bitte schicken Sie ein Telegramm an mein Ministerium, daß man mich sofort hier abholen soll.«
    »Mit einem Flugzeug oder mit einem Unterseeboot?«
    fragte der Schalterbeamte und ließ zur Sicherheit die Milchglasscheibe herunter.
    Der Mann scheint verrückt zu sein, dacht der Minister und ging achselzuckend ab.
    Nahe dem Postamt befindet sich ein Zeitungsstand. Wie sich zeigte, hatte der Minister große Schwierigkeiten, unmarkierte Zeitungen zu entziffern. Auf seinem Schreibtisch sind die Artikel, die er lesen soll, immer eingerahmt.
    »Ein Glas Orangensaft?« fragte eine Stimme aus dem Erfrischungskiosk, vor dem er stehengeblieben war.
    Der Minister nickte. Er war durstig
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