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Kein Öl, Moses

Kein Öl, Moses

Titel: Kein Öl, Moses
Autoren: Unbekannter Autor
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Text. Anschließend bestürmten wir ihn mit Fragen, wo wir wohnen würden. Einige der Einwanderer waren entschlossen, sich in Tel Aviv anzusiedeln, andere gaben sich mit den Vorstädten zufrieden. Die eingangs erwähnten Wirtschaftsfachleute erkundigten sich nach den Preisen für Nagelbürsten und erfuhren zu ihrer bitteren Enttäuschung, daß dieser Artikel in Israel nicht gefragt wäre, weil die Bevölkerung weder über genügend lange Zeit noch über genügend lange Nägel verfüge. Auch die polnische Familie mußte zur Kenntnis nehmen, daß sie auf ihrem Kerzenlager sitzenbleiben würde.
    Die weiteren Fragen, die allenthalben auf den Sendboten vom Festland eindrangen, lauteten: »Wieviel kostet eine Wohnung? Drei Zimmer mit Küche? Zwei Zimmer mit Kitchenette? Wieviel?«
    »Sammle die Zerstreuten, spricht der Herr, und führe sie ins Gelobte Land«, antwortete mit schwacher Bibelstimme die Jewish Agency.
    Von allen Problemen, die uns jetzt konfrontierten, war das Wohnungsproblem tatsächlich das dringlichste. Wie man uns erzählte, wurden in Petach Tikwah Taubenschläge im Ausmaß von 1,5 x 1,5 m für damals 12 Pfund monatlich zur Miete angeboten, ohne Ablöse, aber dafür mit einer Zusatzgebühr von 2 Pfund für die Leiter. Ein weitblickender Rumäne kam auf den grandiosen Einfall, sich in einem außer Betrieb befindlichen Aufzug in einem arabischen Hotel in Jaffa einzuquartieren. Alle beneideten ihn.
    Was mich betrifft, so hatte ich zwei Möglichkeiten: entweder mit einem tripolitanischen Juden namens Sallach und seinen 15 lebhaften Kindern in eine Blechhütte des Auffanglagers von Haifa einzuziehen oder mein Lager vorübergehend bei Tante Ilka aufzuschlagen, deren Untermieter vor kurzem einen Schlaganfall erlitten hatte und sich nicht wehren konnte. Ich neigte dem Auffanglager zu, denn das Befinden des linksseitig Gelähmten konnte sich bessern, und was dann.
    Die schwerste Enttäuschung bereitete mir Onkel Jakob, auf den ich all meine Hoffnungen gesetzt hatte. Unter europäischen Zionisten sprach man von ihm wie von einer legendären Figur: Vor 30 Jahren wäre er mit einem kleinen Koffer nach Palästina gekommen, heute aber besäße er schon ein Fahrrad und, was mehr war, einen Kühlschrank. Wie sich zeigte, war der Kühlschrank mit seiner Wohnung identisch. Deshalb ging ja auch automatisch das Licht an, wenn er die Tür öffnete.
    Unterdessen hatte man Gershon mit dem Schlüssel gefunden, und wir durften endlich an Land gehen. In einem Holzverschlag, von dessen Decke eine nackte elektrische Birne herabhing und vor dem sich die Einwanderer zu einer Schlange formierten, saß hinter einem wackeligen Tisch ein an seiner Khaki-Uniform und an seinem Jiddisch kenntlicher Einwanderungsbeamter, der alsbald mit den Formalitäten begann.
    Uns alle überkam große Erregung und Erschütterung. Schließlich war es das erste Mal, daß wir in unserer neuen Heimat Schlange standen.
    Nach einer Stunde hatte ich den Tisch erreicht. Aus traurigen Brillengläsern, die ihm ständig von der Nase zu rutschen drohten, sah der Beamte mich an:
    »Name?«
    »Kishont Ferenc«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
    Das verwirrte ihn sichtlich: »Welches von beiden ist der Familienname?«
    »Kishont.«
    »Kishon«, korrigierte mich die Amtsperson und rückte die Brille zurecht.
    »Nein, nicht Kishon«, beharrte ich. »Kishont, mit einem t am Schluß.«
    »Kishon«, wiederholte nicht minder beharrlich der Uniformierte. »Vorname?«
    »Ferenc.«
    Wieder betrachtete er mich mit einem verstörten Blick.
    »Ephraim«, entschied er schließlich und hatte es auch schon aufgeschrieben.
    »Nicht Ephraim, bitte! Ferenc!«
    »Einen solchen Namen gibt es nicht. Der Nächste!«
    Das war der Augenblick, in dem wir, der Staat Israel und ich, den Entschluß faßten, gemeinsam humoristische Geschichten zu schreiben. Nach einem solchen Beginn konnte es ja gar nicht anders weitergehen.

Wer kennt Spiegel?
    Womit ist der Weg des Neueinwanderers unter der israelischen Sonne gepflastert? Mit Telefongesprächen und lauwarmen Empfehlungsbriefen. Der neue Bürger Israels lernt binnen kurzem von den älteren Bürgern, daß ohne ein bestimmtes Blatt Papier mit einer bestimmten Unterschrift nichts zu machen ist. Das Zauberwort heißt »Verbindungen«. Ohne Verbindungen gibt es kein Vorwärtskommen in einer Gesellschaft, in der sich jeder Mensch ständig auf der Suche nach einem freien Stuhl, nach einem noch nicht belegten Ecksitz, nach einem Platz in einer der vorderen
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