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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer
Autoren: Cormac McCarthy
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ihr leiblicher Sohn war. Aber verdient gehabt hätt sie ihn. Seine Gefallenenrente hat sie auch nicht gekriegt.
Also. Einmal bin ich noch dort draußen gewesen. Ich bin über das Gelände gegangen, und es hat kaum was darauf hingedeutet, dass da jemals irgendwas passiert war. Ein, zwei Patronenhülsen hab ich aufgehoben. Das war’s aber auch schon so ziemlich. Ich hab lang da draußen gestanden und über einiges nachgedacht. Es war einer dieser warmen Tage, wie man sie im Winter manchmal kriegt. Leichter Wind. Ich denk immer noch, dass es vielleicht irgendwie an dem Land liegt. So etwa, wie Ellis es gesagt hat. Ich hab über meine Familie nachgedacht und über ihn da draußen in seinem Rollstuhl in dem alten Haus, und ich hab es einfach so empfunden, dass dieses Land eine seltsame Geschichte hat und eine verdammt blutige dazu. Man kann hinschauen, wo man will. Ich könnt mich aus allem raushalten und solche Gedanken belächeln, aber ich hab sie trotzdem. Ich entschuldige mich nicht für die Art, wie ich denke. Nicht mehr. Ich rede mit meiner Tochter. Die wär jetzt dreißig. Schon gut. Es ist mir egal, wie sich das anhört. Ich rede gern mit ihr. Nennen Sie das ruhig Aberglauben oder wie Sie wollen. Ich weiß, ich hab ihr im Lauf der Jahre das Herz geschenkt, das ich immer für mich selbst haben wollte, und das ist in Ordnung. Deswegen hör ich ihr zu. Ich weiß, von ihr bekomm ich immer nur das Beste. Das vermischt sich nicht mit meiner Unwissenheit und Gemeinheit. Ich weiß, wie sich das anhört, aber dazu muss ich sagen, es ist mir egal. Ich hab das noch nicht mal meiner Frau erzählt, und wir haben nicht sehr viele Geheimnisse voreinander. Ich glaub nicht, dass sie sagen würde, ich bin verrückt, aber mancher würd das vielleicht schon. Ed Tom? Ja, den haben sie für unzurechnungsfähig erklärt. Ich hab gehört, dem müssen sie das Essen unter der Tür durchschieben. Das macht mir nichts. Ich hör mir an, was sie sagt, und was sie sagt, ist vernünftig. Wenn sie bloß mehr sagen würd. Ich kann jede Hilfe gebrauchen, die ich kriegen kann. Jetzt ist es aber genug.

Als er ins Haus kam, klingelte das Telefon. Sheriff Bell, sagte er. Er ging zur Anrichte und nahm den Hörer ab. Sheriff Bell, sagte er.
Sheriff, hier spricht Detective Cook von der Polizei Odessa.
Ja, Sir.
Wir haben hier einen Bericht mit einem Benachrichtigungsvermerk für Sie. Er hat mit einer Frau namens Carla Jean Moss zu tun, die im März hier ermordet worden ist.
Ja, Sir. Danke für Ihren Anruf.
Die Mordwaffe ist von der ballistischen Datenbank des FBI identifiziert worden, und man hat sie bis zu einem Jungen hier in Midland zurückverfolgt. Der Junge sagt, er hätte die Waffe an einem Unfallort aus einem Wagen genommen. Sie gesehen und einfach genommen. Und ich glaube, das stimmt. Ich habe mit ihm geredet. Er hat sie verkauft, und sie ist bei einem Raubüberfall auf ein Lebensmittelgeschäft in Shreveport, Louisiana, wiederaufgetaucht. Der Unfall, bei dem er die Waffe genommen hat, der hat am selben Tag stattgefunden wie der Mord. Der Mann, dem sie gehörte, hat sie im Wagen liegenlassen und ist verschwunden, und seither hat man nichts mehr von ihm gehört. Sie sehen also, worauf das Ganze rausläuft. Wir haben hier nicht viele ungelöste Mordfälle, und sie stinken uns gewaltig. Darf ich fragen, welches Interesse Sie an dem Fall haben, Sheriff?
Bell erzählte es ihm. Cook hörte zu. Dann gab er ihm die Nummer des Unfallermittlers, Roger Catron. Ich rufe ihn zuerst an. Er spricht dann mit Ihnen.
Nicht nötig, sagte Bell. Er spricht auch so mit mir. Ich kenn ihn schon seit Jahren.
Er rief die Nummer an, und Catron meldete sich.
Wie geht’s, Ed Tom?
So lala.
Was kann ich für dich tun?
Bell erkundigte sich nach dem Unfall. Ja, Sir, sagte Catron. Klar erinnere ich mich daran. Bei dem Unfall sind zwei Jungs umgekommen. Den Fahrer des anderen Fahrzeugs haben wir immer noch nicht gefunden.
Was ist eigentlich passiert?
Die Jungs hatten Dope geraucht. Sie haben ein Stoppschild überfahren und einen nagelneuen Dodge-Pick-up seitlich gerammt. Totalschaden. Der im Pick-up ist rausgeklettert und einfach die Straße entlang abgehauen. Bevor wir da waren. Der Pick-up war in Mexiko gekauft worden. Illegal. Keine Einfuhrgenehmigung. Keine Zulassung.
Was ist mit dem anderen Fahrzeug?
Da saßen drei Jungs drin. Neunzehn, zwanzig Jahre alt. Alles Mexikaner. Der einzige Überlebende war der auf dem Rücksitz. Offenbar haben sie einen Joint rumgehen lassen,
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