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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer
Autoren: Cormac McCarthy
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die Munitionskiste rausgeholt, und dann bin ich dort hinter dem Mauerrest in Stellung gegangen, hab den Spannschieber zurückgezogen und entsichert, und schon ging’s los. Wo die Kugeln getroffen haben, war schwer zu sagen, weil der Boden nass war, aber ich hab gewusst, dass ich einiges ausgerichtet hab. Ich hab etwas über einen halben Meter Gurt verschossen und die Augen offen gehalten, und nachdem es zwei, drei Minuten ruhig geblieben war, ist einer von den Krauts aufgesprungen und hat versucht, in den Wald zu flüchten, aber darauf war ich vorbereitet. Die anderen hatte ich an Ort und Stelle festgenagelt, und die ganze Zeit hab ich einige von unseren Leuten stöhnen hören und beim besten Willen nicht gewusst, was ich mache, wenn es dunkel wird. Und dafür haben sie mir den Bronze Star gegeben. Der Major, der mich dafür vorgeschlagen hat, hieß McAllister und war aus Georgia. Und ich hab ihm gesagt, ich will das Ding nicht. Und er hat einfach nur dagesessen, mich angesehen und gesagt: Ich warte drauf, dass Sie mir Gründe dafür nennen, warum Sie eine militärische Auszeichnung verweigern wollen. Da hab ich’s ihm gesagt. Und als ich damit fertig war, hat er gesagt: Sergeant, Sie werden die Auszeichnung annehmen. Ich schätze, die mussten den Schein waren. Es so darstellen, als hätte das irgendeine Bedeutung. Dass die Stellung verlorengegangen ist. Er hat gesagt, Sie werden die Auszeichnung annehmen, und wenn Sie rumerzählen, was Sie mir gerade erzählt haben, dann erfahre ich davon, und wenn das passiert, dann werden Sie sich wünschen, Sie wären in der Hölle, und zwar mit gebrochenem Kreuz. Ist das klar? Und ich hab gesagt, ja, Sir. Und dass es klarer nicht geht. Damit hatte sich das.
Und jetzt willst du mir erzählen, was du gemacht hast.
Ja, Sir.
Als es dunkel geworden ist.
Als es dunkel geworden ist. Ja, Sir.
Was hast du gemacht?
Ich bin abgehauen.
Der Alte dachte darüber nach. Nach einer Weile sagte er: Ich muss annehmen, dass du das damals für eine ziemlich gute Idee gehalten hast.
Ja, sagte Bell. Hab ich.
Was war passiert, wenn du dageblieben wärst?
Die wären im Dunkeln rangekommen und hätten Granaten zu mir reingeworfen. Oder sie hätten sich wieder in den Wald zurückgezogen und Artillerieunterstützung angefordert.
Bell hatte die Hände auf dem Wachstuch verschränkt. Er sah seinen Onkel an. Der Alte sagte: Ich weiß nicht recht, was du von mir verlangst.
Ich auch nicht.
Du hast deine Kumpel zurückgelassen. Dir ist nichts anderes übriggeblieben.
Doch. Ich hätte dableiben können.
Du hättest ihnen nicht helfen können.
Wahrscheinlich nicht. Ich hab mir überlegt, mich mit dem Maschinengewehr dreißig Meter oder so zur Seite abzusetzen und zu warten, bis sie ihre Granaten geworfen haben oder was auch immer. Sie rankommen zu lassen. Ich hätte noch ein paar erledigen können. Auch im Dunkeln. Ich weiß nicht. Ich hab dagesessen und zugesehen, wie es Nacht geworden ist. Schöner Sonnenuntergang. Bis dahin hatte es nämlich aufgeklart. Endlich zu regnen aufgehört. Das Feld war mit Hafer eingesät, und da waren bloß die Halme. Herbst. Ich hab zugesehen, wie’s dunkel wurde, und hatte schon eine ganze Weile nichts mehr von denen gehört, die unter den Trümmern begraben waren. Sie hätten alle längst tot sein können. Aber genau gewusst hab ich’s nicht.
Und sowie es dunkel geworden ist, bin ich hoch und hab mich davongemacht. Ich hatte noch nicht mal eine Waffe. Das Maschinengewehr mitzuschleppen, hatt ich nun wirklich keine Lust. Mein Kopf hat nicht mehr ganz so weh getan, und ich hab sogar wieder ein bisschen was hören können. Es hatte zu regnen aufgehört, aber ich war völlig durchnässt und hab so gefroren, dass mir die Zähne geklappert haben. Ich hab den Großen Bären ausmachen können, mich, so gut es ging, genau westlich gehalten und bin einfach immer weitermarschiert. Ich bin an ein, zwei Häusern vorbeigekommen, aber es war kein Mensch zu sehen. Das war Kampfgebiet, dieses Land. Die Leute waren einfach abgehauen. Als es Tag geworden ist, hab ich mich in einem Stück Wald versteckt. Wenn von Wald überhaupt die Rede sein kann. Das ganze Land hat ausgesehen wie abgebrannt. Bloß die Baumstümpfe waren noch übrig. Und irgendwann am nächsten Abend bin ich auf eine amerikanische Stellung gestoßen, und das war’s dann so ziemlich. Ich hab gedacht, dass es nach so vielen Jahren vorbeigehen würde. Ich weiß nicht, warum ich das gedacht hab. Dann hab ich gedacht, ich könnt es
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