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Kein Land für alte Männer

Kein Land für alte Männer

Titel: Kein Land für alte Männer
Autoren: Cormac McCarthy
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nehmen sollen. Das war dämlich von uns. Ich sag jetzt aber nicht, dass es Davids Idee war, auch wenn’s stimmt. Ich bin groß genug, um nein zu sagen.
Ja, das bist du.
Das Ganze war einfach abartig. Die im Auto waren tot. Krieg ich deswegen jetzt Schwierigkeiten?
Was hat er noch zu euch gesagt?
Der Junge ließ den Blick durch die Cafeteria wandern. Er sah aus, als bräche er gleich in Tränen aus. Wenn ich’s nochmal machen müsste, würd ich’s anders machen. Das weiß ich.
Was hat er gesagt?
Er hat gesagt, wir wüssten nicht, wie er aussieht. Er hat David einen Hundertdollarschein gegeben.
Hundert Dollar.
Ja. David hat ihm sein Hemd gegeben. Damit er sich eine Schlinge für seinen Arm machen kann.
Bell nickte. Na schön. Wie hat er ausgesehen?
Er war mittelgroß. Schlank. Hat ausgesehen, als wär er in Form. Vielleicht Mitte dreißig. Dunkle Haare. Dunkelbraun, glaub ich. Ich weiß nicht, Sheriff. Er hat ganz normal ausgesehen.
Ganz normal.
Der Junge senkte den Blick auf seine Schuhe. Dann blickte er zu Bell auf. Er hat nicht normal ausgesehen. Ich mein, da war nichts, was ungewöhnlich ausgesehen hat. Aber er hat wie einer ausgesehen, dem man lieber nicht in die Quere kommt. Wenn er was gesagt hat, hat man jedenfalls zugehört. An seinem Arm hat unter der Haut ein Stück Knochen vorgestanden, und das hat er so wenig beachtet, als wär’s gar nichts.
Aha.
Krieg ich deswegen Schwierigkeiten?
Nein.
Danke.
Man weiß nicht, wohin einen bestimmte Sachen führen, stimmt’s?
Ja, Sir. Ich glaub, ich hab was aus der Sache gelernt. Wenn Ihnen das was nützt.
Tut es. Glaubst du, DeMarco hat auch was gelernt?
Der Junge schüttelte den Kopf. Ich weiß nicht, sagte er. Ich kann nicht für David sprechen.
----

XI
    Ich hab Molly beauftragt, seine Familienangehörigen zu ermitteln, und wir haben schließlich in San Saba seinen Dad gefunden. Ich bin dann an einem Freitagabend dorthin gefahren, und ich weiß noch, wie ich beim Losfahren gedacht hab, dass das wahrscheinlich auch wieder so eine Dummheit von mir ist, aber gefahren bin ich trotzdem. Ich hatte vorher mit ihm telefoniert. Ob er mich unbedingt sehen wollte oder lieber nicht sehen wollte, war nicht rauszuhören, aber er hat gesagt, ich soll kommen, also bin ich los. Hab mir ein Motelzimmer genommen, als ich dort war, und bin am anderen Morgen zu seinem Haus rausgefahren.
Seine Frau war vor einigen Jahren gestorben. Wir haben auf der Veranda gesessen und Eistee getrunken, und wenn ich nichts gesagt hätte, würden wir wahrscheinlich immer noch da sitzen. Er war ein bisschen älter als ich. Zehn Jahre vielleicht. Ich hab ihm erzählt, was ich ihm erzählen wollte. Über seinen Jungen. Hab ihm den Sachverhalt geschildert. Er hat bloß dagesessen und genickt. Er hat auf einer Schaukelbank gesessen, ist einfach nur ein bisschen vor- und zurückgeschaukelt und hat das Teeglas auf dem Schoß gehalten. Ich hab nicht gewusst, was ich noch sagen soll, also hab ich einfach die Klappe gehalten, und wir haben eine ganze Weile so dagesessen. Und dann hat er gesagt, und er hat mich dabei nicht angesehen, sondern in den Garten geschaut und gesagt: Er war der beste Gewehrschütze, den ich je gesehen habe. Ohne Ausnahme. Ich hab nicht gewusst, was ich dazu sagen soll. Ich hab Ja, Sir gesagt.
Er war Scharfschütze in Vietnam, wissen Sie.
Ich hab gesagt, dass ich das nicht gewusst hätt.
Er war in keine Drogengeschäfte verwickelt.
Nein, Sir. Das war er nicht.
Er hat genickt. So ist er nämlich nicht erzogen worden, hat er gesagt.
Ja, Sir.
Waren Sie auch im Krieg?
Ja, war ich. In Europa.
Er nickte. Llewelyn, wie der nach Haus gekommen ist, hat er mehrere Familien von Kameraden besucht, die es nicht zurückgeschafft hatten. Das hat er bald wieder aufgegeben. Er hat nicht gewusst, was er zu ihnen sagen soll. Er hat gesagt, er hat sie da sitzen sehen, wie sie ihn angeschaut und gewünscht haben, er wäre tot. Man hätte es ihren Gesichtern angesehen. Anstelle ihres eigenen Verstorbenen, verstehen Sie.
Ja, Sir, das kann ich verstehen.
Ich auch. Aber abgesehen davon hatten sie da drüben Dinge getan, die sie lieber da drüben gelassen haben. Bei uns gab’s so was nicht im Krieg. Oder nur ganz wenig davon. Er hat einen oder zwei von diesen Hippies windelweich geprügelt. Haben ihn angespuckt. Ihn einen Babykiller genannt. Viele von den Jungs, die zurückgekommen sind, haben immer noch Probleme. Ich hab immer gedacht, das liegt daran, dass das Land nicht hinter ihnen gestanden hat. Aber
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