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Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Kein Kind ist auch (k)eine Lösung

Titel: Kein Kind ist auch (k)eine Lösung
Autoren: T Wolf
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kniete und die alleinerziehende Mutter streichelte, als hätte ich den IQ einer Nacktschnecke.
    »Na, wer die Welpen nimmt. Oder willst du sie alle behalten? Damit würde nicht nur unser Vermieter ein Problem haben, sondern auch der Tierschutzbund.«
    »Wie kommst du denn jetzt darauf? Meinst du Phillip hat nach der Geburt von Willi gefragt, wann der vorhat auszuziehen? Also echt.«
    Männer.
    Ich hatte noch nicht eine Sekunde darüber nachgedacht, was mit den Welpen passieren sollte. Auf alle Fälle wollte ich für Waltraud einen behalten, beziehungsweise für mich, denn ich entwickelte plötzlich so etwas wie »Familiensinn«, wenn auch nur für meine Hundefamilie, aber immerhin.
    Ich machte Fotos von den Kleinen und verschickte sie per Mail an alle Menschen, die mir jemals ihre Anschrift gegeben hatten, egal ob Steuerberater oder Gynäkologe.
    Alle waren sich einig: sehr niedlich, aber leider entweder keinen Platz oder keine Zeit oder beides.
    Jowi war sich sicher, es würden sich noch Adoptiveltern finden, notfalls würde sie die fünf Freunde erst mal mit zu sich nehmen. Das wäre für jeden anderen Menschen in meiner Lage ein guter Grund gewesen, ihr das alte Bun desverdienstkreuz meines Großvaters zu schenken, das noch irgendwo auf dem Boden in einer der vielen Kisten liegen musste.
    Statt laut »Ja, danke« zu schreien und ihr – in Gedanken – um den Hals zu fallen, dachte ich: »Nein, niemals«, und fühlte mich, als wollte man mir von Amts wegen meine Kinder wegnehmen. Ich bedankte mich für die angebotene Hilfe und faselte irgendetwas von »das schaffe ich schon« und »mal sehen, da ergibt sich schon was«. Nur was?
    *
    Meine eigene Fortpflanzungsfrage und ihre Frist waren, seit Michas Mutter bei uns war, nicht mehr angesprochen worden. Ob er ihr doch etwas erzählt hatte, als er das Dach repariert hatte? Ich hätte es zu gern gewusst.
    Hin und wieder, wenn ich in meinem Schrank das Päckchen mit dem Nicki-Strampler aus Kopenhagen sah, dachte ich schon mal an Rosa oder Karlotta und an ein eigenes Kind und versuchte mir vorzustellen, wie es sein würde. Aber nie länger als fünf Minuten. Höchstens. Maximal zehn.
    Am besten wäre es, ich würde jemanden finden, dem ich diesen Strampler schenken konnte. Jahrelang erhielt ich in regelmäßigen Abständen die »Wir sind stolz und dankbar«-Karten mit farbigen Fußabdrücken von schrumpeligen Neugeborenen oder alternativ Fotos der Mütter mit dunklen Augenrändern und einem Knäuel im Arm – und jetzt?
    Jetzt gab es andere Dinge, die mich beschäftigten. Von Waltraud und ihren Welpen mal abgesehen, die mich ordentlich auf Trab hielten, auch mit geschlossenen Augen.
    Am ersten Adventssamstag war klar: Entweder hatte ich beim Briefing nicht aufmerksam zugehört oder etwas in der Mail von Grusel-Günther übersehen, denn was mit dem Foto von mir im Rentierkostüm passieren sollte, war an mir vorbeigegangen. Eine Werbekampagne für die Weihnachtszeit, klar, aber wo sie präsentiert werden sollte, hatte ich nicht erfragt. Vermutlich auf Flyern oder auf der Homepage von 99,9. Pustekuchen!
    Micha war beim Sport, und ich saß auf dem Sofa und schmuste mit Nummer drei, den ich inzwischen Pelle getauft hatte, solange er noch da war. Denn Josephine würde nun doch kommen, um die Rasselbande abzuholen und bei sich zu betreuen, damit ich mich zwischendurch mal wieder auf meinen anderen Job – den beim Radio – konzentrieren konnte.
    Und sie würde nicht irgendwann kommen, sondern heute. Ich hatte Micha im Verdacht, sie gefragt zu haben, denn ich hatte es nicht getan. Warum auch? Ich ent wickelte hier gerade mehr als ein Muttergefühl, eher eine n Haufen Muttergefühle. Und was tat er? Erstickte sie im Keim.
    Ich war alles andere als begeistert von der Idee, die Kleinen abzugeben, wusste aber auch keine Alternative, außer meinen Job zu kündigen – den bei 99,9.
    Nun musste der arme Hund also meine Ad-hoc-Beschmusung über sich ergehen lassen.
    »Wir sehen uns ja bald wieder, musst nicht traurig sein«, flüsterte ich ihm in sein kleines Minischlappohr, das ich leicht angehoben hatte, damit er mich besser verstand. Dabei gab es hier nur eine Person, die nachweislich traurig war, und das war nicht Pelle.
    Es klingelte.
    Oh Gott, schon? Wollte Jowi nicht erst nachmittags kommen? Oder hatte ich das falsch verstanden? Wenn man bei mir überhaupt noch von Verstand sprechen konnte, so wie ich mich seit der Geburt der Hunde benahm.
    Jowi sollte ja nun nicht unbedingt
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