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Kein Durcheinander

Kein Durcheinander

Titel: Kein Durcheinander
Autoren: Jules Verne
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den in Wamasai angerichteten Verheerungen, welche aufs Kerbholz jener künstlichen Windhose gehörten, und von den vielfachen Schiffbrüchen infolge der gewaltsamen Verschiebungen der Luftschicht. Doch das war ja ganz ähnlich gewesen, als die berühmte Columbiade damals ihr Projectil nach dem Monde entsendete, und der Rückstoß, den der Erdboden von Florida dabei aufnehmen mußte, hatte sich auch in einem Umkreis von hundert Meilen fühlbar gemacht. Diesmal erreichte die nämliche Wirkung einfach das Hundertfache, das war Alles.
    Doch das nebenbei; jedenfalls belehrte jene Depesche alle Betheiligten der Alten wie der Neuen Welt über zwei Dinge:
    1. daß es gelungen war, den überriesigen Apparat gleich in die Flanken des Kilimandjaro einzubauen;
    2. daß der Schuß zur festgesetzten Zeit abgefeuert worden war.
    Da stieß die Welt einen ungeheuren Aufschrei der Befriedigung aus, dem ein noch fürchterlicheres Gelächter das Geleit gab.
    Das Unternehmen von Barbicane & Cie. war kläglich ins Wasser gefallen! Die schönen Formeln J. T. Maston’s waren reif für den Papierkorb! Die »
North Polar Practical Association
« hatte nichts weiter mehr zu thun, als ihren Bankerott anzumelden!
    Doch, sapperment, sollte sich der Schriftführer des Gun-Club bei seinen Berechnungen wirklich geirrt haben?
    »Nein, eher würde ich an der warmen Zuneigung zweifeln, die er mir eingeflößt hat!« sagte sich Mrs. Evangelina Scorbitt.
    Das verzweifeltste menschliche Wesen unter Allen, die auf unserem Erdsphäroïd wandelten, war aber doch J. T. Maston. Bei der Wahrnehmung, daß sich noch nichts in den Verhältnissen geändert hatte, unter denen sich die alte Erde seit dem ersten Schöpfungstage bewegte, schmeichelte er sich zuerst mit der Hoffnung, daß irgend ein Zwischenfall die Operationen seiner Collegen Barbicane und Nicholl verzögert haben werde….
    Seit dem Eingange der Depesche aus Zanzibar mußte er sich leider zu der Anschauung bequemen, daß die Geschichte – – mißglückt war.
    Mißglückt!… Gescheitert!… Und die Gleichungen, die Formeln, aus denen er das bedingungslose Gelingen des Vorhabens abgeleitet hatte! War also ein Feuerschlund von sechshundert Meter Länge, siebenundzwanzig Meter Durchmesser, der bei der Verpuffung von zwei Millionen Tonnen Meli-Melonit ein Geschoß von hundertachtzig Millionen Kilogramm mit einer Anfangsgeschwindigkeit von zweitausendachthundert Kilometern fortschleuderte, immer noch unzureichend, eine Lageverschiebung der Pole zu erzeugen?… Nein, das erschien doch kaum glaublich!
    Und doch!…
    Gepackt von der heftigsten Aufregung, erklärte J. T. Maston, seinen Schlupfwinkel verlassen zu wollen. Mrs. Evangelina Scorbitt bemühte sich vergebens, ihn daran zu hindern. Jetzt, nach Vorübergang jeder Gefahr, hatte sie für sein Leben am Ende nicht mehr zu fürchten, die Witzeleien aber, die es auf den unglücklichen Rechenmeister niederhageln, das Gespött, das ihm nicht erspart bleiben, die Hans wurstiaden, durch die man sein schönes Werk entstellen würde, hätte sie so gerne von ihm abgewendet gesehen.
    Noch weit ernster gestaltete sich die Frage, welchen Empfang ihm seine Collegen vom Gun-Club bereiten möchten. Würden sie sich nicht an ihren Schriftführer halten wegen eines Mißerfolges, der sie mit dem Fluche der Lächerlichkeit belastete? War er es nicht, der Vater jener Berechnungen, dem die Verantwortlichkeit für dieses Fiasco allein zufiel?
    J. T. Maston wollte auf nichts hören. Er widerstand den Bitten ebenso wie den Thränen der Mrs. Evangelina Scorbitt. So verließ er das Haus, in dem er sich so lange verborgen gehalten, und erschien wieder in den Straßen von Baltimore. Hier sofort erkannt, wurde er von denen, die er in ihrem Vermögen und ihrer Existenz bedroht, deren schauerliche Angst er durch sein starrköpfiges Schweigen so qualvoll verlängert, jetzt in der rücksichtslosesten Weise gehänselt und jämmerlich verspottet.
    Da hätte Einer nur die hoffnungsvolle amerikanische Jugend hören sollen, die sich mit dem waschechten Pariser Gassenjungen vollauf messen konnte.
    »He, seht ihn nur, den Achsen-Richtmeister!
    – Halloh, der schiefgewickelte Uhren-Verdreher!
    – Hurrah, der Alte Schachteln-Verrenker!«
    Kurz, der verzweifelte, abgezauste Schriftführer des Gun-Club mußte wieder nach dem Hotel im New-Park umkehren, wo Mrs. Evangelina Scorbitt das ganze Magazin ihrer Zärtlichkeiten erschöpfte, um ihn einigermaßen zu trösten. Vergeblich!… J. T. Maston
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