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Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Kein Augenblick zu früh (German Edition)

Titel: Kein Augenblick zu früh (German Edition)
Autoren: Sarah Alderson
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mich mit beiden Armen von hinten an der Hüfte.
    Ich schloss die Augen, stellte mir Rachels wunderschönes, aber bösartiges Gesicht vor, das triumphierende Grinsen, als sie mir sagte, dass meine Mutter noch lebte. Innerhalb von Sekunden hatte ich mich aus Alex’ Umklammerung gelöst. Es war nicht schwerer, als eine Banane zu schälen.
    Alex betrachtete mich nachdenklich, fast ehrfürchtig. Jedenfalls hoffte ich, dass es Ehrfurcht war. Dann kam er mit ausgestreckten Armen auf mich zu. Rachel . Ein Gedanke genügte und seine Arme wurden weggestoßen.
    Die Sache begann mir richtig Spaß zu machen. Jetzt, nachdem ich es endlich kapiert hatte, fiel es mir immer leichter. Rachel war der Schlüssel. Eigentlich komisch, dass mir das nicht schon früher klar geworden war. Jedes Mal, wenn ich wütend oder aufgewühlt war, hatte ich die Kontrolle über meine Kraft verloren. Und weil Rachel eben unweigerlich diese Gefühle in mir hervorrief, war sie der ideale Auslöser.
    Alex ging ein bisschen auf Distanz. Er lächelte auch nicht mehr. Er schien fast zu nervös, um mich erneut anzugreifen. War das ein Funken des Misstrauens in seinem Auge? Kaum hatte ich es bemerkt, verschwand es schon wieder und er lächelte mir zu. Flüchtig schoss mir die Frage durch den Kopf, ob ich meine Kraft auch andersherum einsetzen könnte – um ihn zu mir zu holen, zum Beispiel. Seine Arme um mich zu legen. Sein T-Shirt auszuziehen. Aufs Bett zu legen. Mich zu küssen … Unwillkürlich begann ich breit zu grinsen. Eine Welt voller neuer Möglichkeiten eröffnete sich mir und sie hatten viel mit der Beseitigung höchst überflüssiger Klamotten zu tun. Und mit dem Wegfegen von Alex’ entschlossener Keuschheit.
    Nein. Böse Lila. Ganz böse Lila. Krieg dich wieder ein.
    »Dazu brauchst du die Kraft nicht«, sagte Alex leise und nahm mich in die Arme.
    »Verdammt, kannst du meine Gedanken lesen?«, murmelte ich in sein T-Shirt.
    »Nicht nötig. Du bist wie ein offenes Buch.« Er küsste mich leicht auf den Nacken, dann auf den Mund, und in all dem Chaos, dem Albtraum, zu dem mein Leben geworden war, blieb mir immer noch das.

3
    Ob wir uns ganz sicher seien, fragte der Taxifahrer.
    »Sí« , antwortete Alex.
    Ich verstand nur teilweise, was sie besprachen, mein Spanisch bestand bestenfalls aus Grundkenntnissen. Ich konnte vielleicht einen Burrito bestellen oder ein Hotelzimmer buchen, aber das war’s dann auch schon.
    »Warum fragt er denn ständig, ob wir sicher sind?«, flüsterte ich Alex zu.
    »Weil Touristen normalerweise nicht unbedingt in diesen Stadtteil gefahren werden wollen.«
    »Nein? Keine Ahnung, was sie gegen dieses Viertel haben«, murmelte ich sarkastisch und schaute durch das Seitenfenster. Jede Menge roter Leuchtreklamen, dunkler Gassen und blinkender Bierwerbung für Negra Modelo oder Corona. Es war fast zwei Uhr morgens und die Straßen waren wie ausgestorben. Offenbar waren selbst die Bewohner des Viertels vernünftig genug, nachts im Haus zu bleiben.
    »Erklär mir doch noch mal, was wir hier zu suchen haben?«, fragte ich.
    »Wir brauchen neue Pässe. Und zwar schnell. Mit den alten können wir nicht mehr in die Staaten zurück – die Einheit lässt garantiert per Suchbefehl an allen Grenzen nach uns fahnden.«
    »Und illegale Pässe gibt’s nicht in Supermärkten zu kaufen, das weiß ich. Aber trotzdem: Warum fahren wir ausgerechnet in diesen Bezirk?« Eine Leuchtreklame für einen Reisepassladen war natürlich nirgendwo zu sehen.
    »Ich hab dem Fahrer gesagt, er soll uns ins schlimmste Viertel fahren.«
    »Aha. Okay«, sagte ich, als wäre mir nun alles klar.
    Alex redete in fließendem Spanisch auf den Fahrer ein. Ich hörte verblüfft zu – gab es etwas, was dieser Junge nicht konnte?
    »Aquí?« , fragte der Fahrer und deutete auf das Viertel, als sei es eine Cholera-Sperrzone. Ich konnte es ihm nachfühlen – die Gegend sah wirklich nicht so aus, als würde man hier gerne spazieren gehen, auch nicht in Begleitung von Alex und seiner Kanone.
    Sie diskutierten noch eine Weile, wobei der Fahrer immer wieder den Kopf schüttelte, bis er schließlich an den Rand der schmalen Straße fuhr. Alex gab ihm ein paar Geldscheine. Der Fahrer parkte den Wagen zwischen zwei Autos und schaltete den Motor aus. Ungefähr fünfzig Meter vor uns befand sich ein Gebäude, dessen Fensteröffnungen mit Brettern vernagelt waren. Rötliches Licht schimmerte durch die Spalten und Ritzen.
    Etwa zehn Minuten lang blieben wir im Auto
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