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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg
Autoren: E Mendoza
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nicht daran hindert, ihn schon so wild wie irgendeine Beute anzufallen, obwohl sie strenggenommen den Geruch ihres Herrn hätten erkennen müssen. Auf den ersten Blick könnten diese Fehler der Eile oder der Unlust des Künstlers gegenüber einem Auftragswerk zugeschrieben werden. Doch Tizian malte es am Ende seines Lebens und verwandte über zehn Jahre darauf. Bei seinem Tod befand sich das Bild noch in seinem Besitz. Dann ging es durch mehrere Hände und Länder, bis es in einer englischen Privatsammlung landete. Die Kopie, die Anthony jetzt betrachtete, war etwas kleiner als das Original und war, wie er folgern konnte, Ende des 19. Jahrhunderts von einem kompetenten Kopisten hergestellt worden. Während er darüber nachgrübelte, wie sie in die Halle dieses kleinen Madrider Palais gelangt sein mochte, sprach ihn in seinem Rücken eine Stimme an. «Entschuldigen Sie, sind Sie der neue Englischlehrer?»
    Als er sich umwandte, sah er vor sich ein Mädchen mit langen Zöpfen und in Schuluniform. «Ich fürchte, nein. Woher weißt du, dass ich Engländer bin?»
    «Weil Sie so aussehen.»
    «So sehr sieht man es mir also an?»
    Das Mädchen trat etwas näher auf ihn zu, als wollte sie ihren Schluss oder die Aufrichtigkeit des Besuchers bestätigt sehen. Von nahem sah sie älter aus, als ihre Kleidung und ihr kindliches Benehmen annehmen ließen. Sie war schlank, hatte kleine Gesichtszüge und große, forschende Augen. «Mein Vater will, dass ich Englisch lerne, für den Fall, dass wir Madrid verlassen müssen. Ich gehe seit über einem Monat nicht mehr in die Schule. Aber Sprachen lernen mag ich nicht. Die Engländer sind Protestanten, nicht wahr?»
    «Die meisten.»
    «Pater Rodrigo sagt, die Protestanten werden alle zur Hölle fahren. Die Neger, auch wenn sie Heiden sind, kommen in die Vorhölle, wenn sie gut sind. Die Protestanten dagegen, auch wenn sie gut sind, in die Hölle, weil sie in ihrem Irrtum verharren, wo sie doch katholisch sein könnten.»
    «Nun, ich werde Pater Rodrigo gewiss nicht widersprechen. Wie heißt du denn?»
    «Alba María, aber alle sagen Lilí zu mir.»
    «Lilí, zu dienen», sagte eine kräftige Stimme hinter ihm.
    Ein großer, trübsinniger Mann mit hoher Stirn und weißem Haar war eingetreten. In einem einzigen Blick nahm er die Szene auf, ging mit einem angedeuteten Streicheln an dem Mädchen vorbei und reichte dem Engländer mit unveränderter Miene die Hand. «Verzeihen Sie, dass ich Sie habe warten lassen. Ich bin Álvaro del Valle y Salamero, Herzog von Igualada. Sie sind Pedro Teachers Abgesandter. Ich hoffe, das Erdbeben da hat Sie mit seiner Dreistigkeit nicht belästigt.»
    Lilí hatte sich hinter ihren Vater gestellt. Auf den Zehenspitzen flüsterte sie ihm etwas ins Ohr und sauste aus der Halle.
    «Nicht im Geringsten», sagte der Engländer, «Ihre Tochter hat sich als vollendete Gastgeberin benommen und mir auf charmante Art die ewige Verdammnis prophezeit.»
    «Hören Sie nicht auf sie», antwortete der Herzog, «und glauben Sie nicht, Ihr Seelenheil würde ihr große Sorgen bereiten. Eben hat sie mir gesagt, Sie glichen Leslie Howard. Aber wir wollen nicht hier bleiben. Seien Sie so freundlich und kommen Sie in mein Arbeitszimmer.»
    Ohne jemandem zu begegnen, gingen sie durch zwei Zimmer und betraten ein sehr wohnliches Arbeitszimmer. Anstelle der robusten kastilischen Möbel war die Bibliothek in englischem Stil gehalten, mit Regalen aus hellem Holz, die von alten, in Leder gebundenen Bänden mit Goldrücken überquollen. An einer Wand hing ein Seestück von Sorolla und an einer weiteren mehrere Zeichnungen, deren Urheberschaft der Engländer nicht zu bestimmen vermochte. Neben den Bildern hingen persönliche Fotografien in diskreten Silberrahmen. Nur in einer Ecke stand die unvermeidliche kleine Kommode, wahrscheinlich ein Familienerbstück. Alles in diesem Raum strahlte Zurückgezogenheit aus. Ein großes dreiflügeliges Fenster führte auf einen Teil des Gartens hinaus, in dem schlanke Zypressen und gestutzte Hecken einen auserlesenen Winkel mit Statuen, Springbrunnen und Marmorbank rahmten. Als er hinausschaute, um dieses reizvolle Panorama zu betrachten, sah Anthony neben dem Springbrunnen ein Paar stehen. Wegen der Distanz und des Schattens der Bäume erkannte er einzig einen hochgewachsenen Mann in langem, marineblauem Mantel und eine blonde, grüngekleidete Frau. Obwohl sie allein waren und nur vom Palais aus gesehen werden konnten, da der Garten durch eine Mauer
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