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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg
Autoren: E Mendoza
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entfernt hatte, «ist zwar mein Kleinster, aber der größte aller Leichtfüße. Er studiert in Madrid Jurisprudenz, verbringt indessen einen Teil des Jahres zwischen den Landgütern. Meine Absicht ist es, die Liegenschaften allmählich in seinen Händen zu lassen. Seit einigen Monaten rührt er sich nicht aus dem Haus weg. Seine Mutter würde nicht mehr leben, wenn sie wüsste, wie es auf dem Land aussieht, und das mit gutem Grund. So habe ich es vorgezogen, die Familie im Pferch zu haben. Aber die Jugend kann man nicht so kurz anbinden. Nachdem er achtundvierzig Stunden hier war, ist ihm die Decke auf den Kopf gefallen, und vorgestern ist er im Revier von Freunden auf die Jagd gegangen mit dem Versprechen, heute Vormittag zurück zu sein. Wir werden ja sehen. Mein anderer Sohn ist mit zwei Kommilitonen in Italien unterwegs. Florenz, Siena, Perugia – wie schön wäre das! Er hat das Jurastudium abgeschlossen, schwärmt aber für die Kunst, und das werfe ich ihm gewiss nicht vor. Kommen Sie, Señor Whitelands, ich will Sie meiner Frau vorstellen, und wir genehmigen uns ein Gläschen Sherry. Das Heizungssystem ist alt und das Ganze ein Mausoleum. Oh – in Gegenwart meiner Frau und meiner Kinder bitte kein Wort von dem, worüber wir gesprochen haben. Es gibt keinen Grund, Sie noch mehr zu beunruhigen, als sie es ohnehin schon sind.»

5
    Munter loderten einige Scheite im Kamin des Musikzimmers, dessen Sims von einer finsteren weißen Beethovenbüste beherrscht wurde. Einen großen Teil des geräumigen Zimmers nahm ein Konzertflügel ein. Aufgeschlagene Noten auf dem Ständer und ein weiterer Stapel auf dem Hocker wiesen auf häufige Benutzung hin. Die Wände waren mit blauer Seide ausgekleidet, und das Fenster rahmte einen Winkel des Gartens mit Orangen- und Zitronenbäumen.
    Kaum waren sie eingetreten, als die Herzogin erschien. Sie war eine sehr kleine Frau, leicht hässlich, was Alter und mangelnde Geziertheit zu Würde ausgeformt hatten. Aus ihrem Auftreten sprachen Intelligenz, Energie und Hartnäckigkeit, und ihr leichter andalusischer Akzent verlieh ihr eine natürliche Anmut. In ihrer unbändigen kindlichen Spontaneität beging sie häufige Fauxpas, über die sich die ihr Nahestehenden freuten und die ihr die zärtlichste Zuneigung eintrugen. Unschwer konnte man sich ausmalen, dass diese Frau der Mittelpunkt des Hauses war. «Seien Sie willkommen in diesem alten Gemäuer und vor allem in diesem Raum – Zufluchtsstätte und Heiligtum für mich», sagte sie mit hoher, singender, sich beinahe überschlagender Stimme. «Mein Mann lebt für die Malerei und ich für die Musik. So streiten wir uns nie. Er mag, was bleibt, und ich, was vorübergeht. Sind Sie Musikfreund, Señor …?»
    «Whitelands.»
    «Herrgott, was habt ihr für seltsame Namen! Und wie ist Ihr Vorname?»
    «Anthony.»
    «Antoñito? Na, das hört sich schon besser an.»
    «Señor Whitelands», mischte sich der Herzog in nachsichtigem, nicht unehrerbietigem Ton ein, «ist der Experte für spanische Malerei, von dem ich euch schon erzählt habe, der Freund von Pedro Teacher. Er ist direkt von England gekommen, um einen Blick auf unsere bescheidene Sammlung zu werfen, aber da uns die Zeit davongelaufen ist, habe ich ihn zum Essen eingeladen. Ist Guillermo noch nicht zurück?»
    «Er ist vor einer Weile gekommen, wie mir Julián gesagt hat, aber er hat wie ein Wegelagerer ausgesehen und ist raufgegangen, um sich zu waschen und umzuziehen.»
    In diesem Augenblick trat Lilí in Begleitung einer jungen Frau ein, die dem Engländer als Victoria Francisca Eugenia María del Valle y Martínez de Alcántara vorgestellt wurde, Marquise von Cornellá, von allen Paquita genannt, Tochter des Herzogs und der Herzogin und Lilís ältere Schwester. Sie war hochaufgeschossen und glich trotz ihrer regelmäßigen Züge der Mutter, was sie paradoxerweise zu einer höchst attraktiven Frau machte. Ohne zu lächeln, ergriff sie die Hand des Gastes und drückte sie kurz und fest, fast männlich. Dann zog sie sich in eine Ecke zurück und begann in einer Illustrierten zu blättern. Obwohl sie kein grünes Kleid trug, fragte sich Anthony Whitelands, ob diese junge, scheu wirkende Frau nicht die rätselhafte Person war, die er kurz zuvor im Garten in Begleitung eines anonymen Galans erspäht hatte. Inzwischen war Lilí zu ihm getreten und ergriff mit dreister Zutraulichkeit seine Hand. Als sich der Engländer ihr zuwandte, sagte sie: «Verzeih mir, was ich vorhin gesagt
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