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Katzenkrieg

Katzenkrieg

Titel: Katzenkrieg
Autoren: E Mendoza
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kurz, dass der andere keine Zeit für einen Einwand hatte, und fuhr fort: «Zwei letzte Erwägungen, um Skrupel oder Zaudern zu zerstreuen. In der aktuellen Situation ein unbedeutendes Stück des unermesslichen spanischen Kunsterbes zu unterschlagen kann nicht als Kapitalflucht gelten, sondern ist vielmehr eine Rettungsaktion. Wenn die Revolution ausbricht, wird die Kunst ebenso malträtiert sein wie das ganze Land, und zwar auf irreparable Art. Die zweite Erwägung ist nicht weniger wichtig, denn mit Ihrer Vermittlung, Señor Whitelands, werden Sie zweifellos dazu beitragen, mehrere Menschenleben zu retten. Und nun denken Sie darüber nach, und entscheiden Sie dann im Einklang mit Ihrem Gewissen.»
    Drei Tage später fragte sich Anthony Whitelands vor der Flügeltür mit ihren Anklängen an Baumeister Herrera, ob seine Anwesenheit hier den von Pedro Teacher genannten altruistischen Zwecken diente oder dem schlichten Bedürfnis entsprang, der Routine zu entkommen und mit der Schubkraft dieses Impulses den Problemen seiner Affäre ein Ende zu setzen. Und während er seiner Niedergeschlagenheit mit einem Abenteuergeist aufzuhelfen versuchte, an dem es ihm vollkommen fehlte, ging die Tür des Palais auf, und ein Butler fragte ihn, wer er sei und was ihn herführe.

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    «Bestellen Sie dem Herrn Herzog, dass mich Pedro Teacher schickt.»
    Der Butler war ein erstaunlich junger Mensch mit dunklem Teint und Kraushaar, langen Koteletten und Stierkämpferpose. Ein größerer Kontrast als zwischen dem Engländer und diesem Zigeuner war nur schwer vorstellbar. Er starrte den Besucher an, als wollte er ihm gleich die Tür vor der Nase zuschlagen, doch dann trat er beiseite, bat ihn mit einer dringlichen Geste herein und schloss rasch die Tür hinter ihm. «Warten Sie hier», sagte er knapp, eher wie ein Verschwörer als wie ein Bediensteter, «ich werde Seine Exzellenz benachrichtigen.»
    Er verschwand durch eine Seitentür und ließ Anthony Whitelands in einer geräumigen, hohen, mit Marmorboden ausgelegten Halle allein, die keinerlei Möbel beherbergte und offensichtlich dem Ein und Aus von Freunden diente und um Fremde kurzerhand im Stehen zu empfangen. Ohne das durch die auf den Garten hinausgehenden hohen, schmalen Fenster einfallende goldene Licht wäre es ein düsterer Raum gewesen.
    Blind für alles, was nicht mit seinem eingeschränkten Interessengebiet zu tun hatte, betrachtete Anthony die Bilder an den Wänden. Die meisten zeigten Jagdszenen, unter denen ihm eine ganz besonders auffiel. Tod des Aktaion gilt als eines der wichtigsten Werke aus Tizians Reifezeit. Das Bild, das er jetzt in Augenschein nahm, war eine wundervolle Kopie des Originals, das zu studieren er nie die Gelegenheit gehabt hatte, obwohl er viele Farbtafeln davon gesehen und genügend darüber gelesen hatte, um das Werk sogleich zu erkennen. Das Sujet entstammte mehreren Quellen, deren bekannteste Ovids Metamorphosen waren. Mit einigen Freunden auf der Jagd, verirrt sich Aktaion im Wald, und auf seinem Streifzug überrascht er die Göttin Diana, die sich eben ihrer Kleider entledigt hat, um in einem Teich zu baden. Zornig verwandelt sie Aktaion in einen Hirsch, der von seinen eigenen Hunden zerfleischt wird. Ohne einen offensichtlichen Grund zählt Ovid die Namen aller Hunde von Aktaions Meute auf und nennt sogar einige von deren Erzeugern, ihre Herkunft und ihre Eigenschaften. Diese Häufung von Details macht die Metzelei noch beängstigender, in der sich zwar sämtliche Beteiligten kennen, aber nicht wiedererkennen noch sich mitteilen können. Ovid erzählt, ihren Hirsch gewordenen Herrn hätten als erste zwei Hunde erreicht, die zurückgeblieben waren, dann aber eine Abkürzung genommen hatten. Dieses traurige Geschehen, so der Dichter, dürfe niemandem angelastet werden, schließlich sei es kein Verbrechen, den Weg verfehlt zu haben. Laut anderen Versionen wollte Aktaion die Göttin verführen, mit Worten oder mit Gewalt. Dritte verniedlichen das Ganze: Niemand dürfe eine Gottheit sehen, weder mit noch ohne Kleider, und dann heil davonkommen. Tizians Darstellung der Szene ist voller Widersprüche: Diana trägt noch ihre Kleider, und statt Aktaion zu verfluchen, scheint sie einen Pfeil auf ihn abschießen zu wollen oder bereits abgeschossen zu haben; die Verwandlung des unglückseligen Jägers hat eben erst begonnen – er steckt noch in seinem Menschenkörper, aber bereits ist ihm ein unproportioniert kleiner Hirschkopf gewachsen, was die Hunde
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