Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle
Autoren: Hildegunde Artmeier
Vom Netzwerk:
Da ist sie immer zu mir gekommen, früher meine ich. Ich hab ihr geholfen, so gut es ging. Hab sie jedenfalls nie gedrängt. So war es auch dieses Mal.«
    »Ihre Schwester war also Künstlerin?«
    »Sie war Balletttänzerin.« Ein hölzern klingendes Geräusch, das ein Lachen sein sollte. »Sie war richtig berühmt. Die große Primaballerina Mira Scheidt, ihr gehörte die ganze Welt.«
    Jetzt verstand Lilian. Vor einer Stunde hatte sie die Tänzerin noch im Fernsehen gesehen – deshalb war ihr die Tote so bekannt vorgekommen. Aber hier in dieser Umgebung hatte sie nicht damit gerechnet, ausgerechnet auf eine solche Berühmtheit zu treffen. Vorbei mit allem Ruhm und allem Glanz, der Tod machte da keinen Unterschied.
    Na bravo, das würde der Presse gefallen. Da würde es noch schwieriger werden als sonst, die Ermittlungen in Ruhe führen zu können. Gut, dass Peter Kuhnert sie angerufen hatte. So konnte sie jetzt vor Ort wenigstens auf alle Kleinigkeiten achten. Am besten wäre es, wenn auch Helmut käme. Aber zu dieser Zeit wollte sie ihn nicht mehr stören.
    »Wer wusste, dass Ihre Schwester hier bei Ihnen in Regensburg war?«
    »Niemand.« Lena fingerte immer noch an dem Veilchen herum. »Aber das ist doch egal. Das Poltern, das ich gehört habe – das muss aus dem Badezimmer gekommen sein. Dieser Kollege von Ihnen, der so müde aussieht, der hat gesagt, dass das Fenster im Bad auf war. Richtig auf, nicht bloß gekippt, da konnte jeder rein. Ich versteh zwar nicht, was man in meiner Wohnung klauen könnte. Aber vielleicht ist es wegen dieser Statue aus Carrara-Marmor, die hat ein Künstler aus Italien gemacht. Sie ist die Einzige aus meiner Sammlung, die einen gewissen Wert darstellt. Wahrscheinlich war Mira einfach zur falschen Zeit am falschen Ort – genauso gut hätte es mich treffen können.«
    »Ist die Plastik gestohlen worden?«
    »Nein. Es ist die, mit der Mira getötet wurde.«
    »Fehlt sonst irgendetwas?«
    Falsche Frage – bestimmt hatte Lena bisher weder die Zeit noch die Kraft gehabt, die Wohnung in dieser Hinsicht zu überprüfen.
    »Nein. Beim ersten Durchschauen ist mir nichts aufgefallen.«
    Lena schien Nerven wie Drahtseile zu haben.
    »Und warum waren Sie heute Abend nicht da?«
    »Ich war unterwegs nach Nürnberg. Da hab ich morgen Früh ein Vorstellungsgespräch, gleich um acht. Ich wollte in einer Pension übernachten, damit ich pünktlich bin. Ich war schon auf der Autobahn, da merkte ich auf einmal, dass ich den Stadtplan von Nürnberg vergessen hatte. Also hab ich wieder umgekehrt.«
    »Wie lange waren Sie weg?«
    »Eine halbe Stunde, vielleicht ein bisschen länger.«
    »Wo war Ihre Schwester, als Sie weg gefahren sind?«
    »In der Badewanne.«
    »War irgendetwas Besonderes, bevor Sie los sind?«
    »Nein.« Sie zögerte. »Da muss ich jetzt wohl absagen. Und den Papa muss ich auch anrufen. Er muss es ihr sagen.«
    »Wem muss er was sagen?«
    »Meiner Mutter – dass Mira tot ist. Sie wussten nicht mal, dass Mira in Regensburg war.« Lena stand auf, hielt sich krampfhaft an der Tischplatte fest. »Sie wird es schwer verkraften. Mira war wie ihr Augapfel.«
    Auch Lilian stand auf. Sie sah, dass das lilafarbene Blütenblatt eingerissen war. Schlapp hing es nach unten.
    »Und dann muss ich unbedingt ins Bett. Ich bin total fertig.« Lena sagte das mehr zu sich selbst als zu Lilian. »Wann verschwinden die Leute hier endlich?«
    »Sobald sie alle Spuren gesichert haben.«
    »Wann ist das?«
    »In ein paar Tagen.«
    »Und wo soll ich solange schlafen?«
    »Vielleicht bei Ihren Eltern?«
    Ein rauer Ton – der klägliche Versuch, wieder so etwas wie ein Lachen zu imitieren. »Das geht nicht.«
    »Wie wär’s mit einem Hotel?«
    »Und wer bezahlt die Rechnung?«
    Das wusste Lilian selbst nicht so genau. Aber nicht aus diesem Grund musste sie sich zusammenreißen, damit ihre Stimme nicht zu laut wurde.
    »Ihre Schwester ist ermordet worden, in Ihrer eigenen Wohnung. Die Reinigung des Sofas, auf dem sie liegt, kostet bestimmt mehr als eine Übernachtung im Hotel. Doch Sie machen sich nur Gedanken darum, wer das Zimmer bezahlt. Das finde ich etwas seltsam.«
    »Ich kann verstehen, dass Sie das sagen. Aber wenn Sie Mira gekannt hätten, würden Sie anders reagieren.« Lena fischte das Veilchen mit der kaputten Blüte aus der Vase. »Wenn ich da draußen liegen und Mira hier mit Ihnen reden würde, dann würde sie Ihnen eine so bühnenreife Vorstellung liefern, dass Sie nur noch heulen könnten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher