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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle
Autoren: Hildegunde Artmeier
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allein! Ich ruf einen Arzt an – und die Polizei. Die sind gleich bei Ihnen, keine Sorge.«
    Lilian legte auf. Was für eine verfahrene Situation, die Frau hatte sich wirklich verzweifelt angehört. Und sie selbst konnte nicht mehr tun, als der Einsatzleitzentrale in Regensburg die nötigen Informationen durchzugeben. In ein paar Minuten wäre jemand vor Ort, um Billy zu helfen. Hoffentlich behielt wenigstens der die Nerven …
    »Chef, da ist jemand an der Tür. Der will zu Mira Scheidt.«
    Hier ging’s ja zu wie in einem Taubenschlag. Offenbar gab es doch einige Leute, die wussten, wo Mira zu finden war. Ganz im Gegensatz zu dem, was ihre Zwillingsschwester Lena anfangs gesagt hatte.
    Lilian erledigte den Anruf und folgte dem Beamten zur Eingangstür. Natürlich war sie jetzt darauf vorbereitet, auf einen weiteren Star zu stoßen. Aber auch sonst hätte sie den Mann sofort erkannt, denn seine langen, wallenden Haare waren einzigartig. Wie ein glänzendes, fast silbernes Vlies umgaben sie sein hageres Gesicht, dessen Züge in Wirklichkeit noch ausgeprägter waren als im Fernsehen. Ein dunkles Augenpaar schaute ihr unter fast schwarzen Augenbrauen angespannt entgegen. Was für ein reizvoller Gegensatz zu der hellen Mähne.
    »Wo ist Mira? Der Polizist da hat gesagt, ihr ist was zugestoßen. Das kann ich nicht glauben.« Sein Deutsch war fließend mit einem auffallend rollenden ›R‹.
    »Herr Ormond, es tut mir Leid, aber …«
    »Ich bin soweit. Fahren wir?«
    Das kam von Lena. Mit einer fertig gepackten Tasche war sie aus ihrem Schlafzimmer aufgetaucht und stand jetzt am anderen Ende des Korridors. Sie hatte nicht allzu lange gebraucht, um Kleidung und sonstige Utensilien für die nächsten paar Tage auszuwählen. Sogar umgezogen hatte sie sich. Jetzt trug sie einen langen Jeansrock und einen Rollkragenpullover mit modischen Fransen.
    Cedric Ormond, der gefeierte Ballettdirektor des London Royal Theatre, unterdrückte einen Aufschrei. Dann eilte er mit wehender Haarpracht auf die grazile Frau zu und umarmte sie innig.
    »Mira! Ich wusste ja, dass das ein Missverständnis sein muss. Wie geht’s dir?«
    Das klang ungemein erleichtert. Und doch schwang da auch etwas anderes mit: ein Vorbehalt, Misstrauen, eine unter der Oberfläche schwelende Unsicherheit. Auf einmal hielt Cedric Ormond inne und starrte die Frau in seinen Armen an, als hätte sie ihm etwas zu Leide getan. Was sie nicht hatte, denn sie hatte sich kaum bewegt.
    »Nein, Sie sind nicht Mira.« Er löste sich von ihr, trat einen Schritt zurück und betrachtete sie aufmerksam. »Wer sind Sie?«
    Lena starrte in gleichem Maße zurück. Doch bei ihr kam noch eine andere Komponente hinzu – so etwas wie Feindseligkeit?
    Jetzt hielt Lilian den Zeitpunkt für gekommen, sich einzuschalten. »Darf ich vorstellen? Das ist Lena Zolnay, Miras Zwillingsschwester. Herr Ormond ist Ballettintendant. Er war Miras Lebensgefährte und …«
    »Zwillingsschwester?« Ungläubig musterte der Mann Lena. »Mira hat mir nie gesagt, dass sie eine Schwester hat. Und eine Zwillingsschwester schon gar nicht.«
    In Lenas Blick mischte sich noch mehr Bitterkeit. Und gleichzeitig so etwas wie eine tief verborgene Traurigkeit, für die sie sich zu schämen schien. Verständlich, die eigene Schwester hatte nie von ihr gesprochen.
    »Was tun Sie hier, Herr Ormond?«, fragte Lilian.
    »Wie? Ach so, ich will zu Mira. Wo ist sie?«
    »Woher wissen Sie, dass sie hier ist?«
    »Von Larissa Gregori, Miras Agentin. Mira hat sie gestern Abend angerufen. Endlich ein Lebenszeichen von ihr! Wir hatten seit fast einer Woche nichts mehr von Mira gehört, sie ist einfach verschwunden. Ich weiß wirklich nicht, was sie sich dabei gedacht hat.«
    »Hat Frau Gregori Ihnen diese Adresse hier gegeben?«
    »Nein, nur die Telefonnummer. Die hatte sie auf ihrem Display gesehen. Also hab ich mir heut gleich einen Flieger nach Nürnberg geschnappt, hab mir einen Mietwagen besorgt und bin direkt nach Regensburg gesaust. Ich musste mit Mira reden und …«
    »Woher wussten Sie die Adresse?«
    »Von der Auskunft. Da gibt es doch diese besondere Stelle, wo man alle möglichen Informationen bekommt.« Er wurde ungeduldig. »Warum löchern Sie mich dauernd? Ich will doch bloß zu Mira. Wo ist sie denn?«
    »Im Wohnzimmer. Sie ist tot.«
    Er lachte. »Nein. Das kann nicht sein.«
    Warum glaubte ihr das niemand? Lilian wurde sauer. Einem plötzlichen Impuls folgend führte sie den Mann ins Wohnzimmer und tat damit
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