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Katrin mit der großen Klappe

Katrin mit der großen Klappe

Titel: Katrin mit der großen Klappe
Autoren: Marie Louise Fischer
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Mitschülerinnen
fanden das komisch, aber sie spürten alle, daß es unangebracht gewesen wäre,
laut herauszulachen. Sie kicherten nur unterdrückt.
    „Das ist gleich“, sagte Frau
Dr. Mohrmann. „Mich interessiert nur der Beruf.“
    „Der Großvater meines Vaters
war Bauer und...“
    „Stop! Bleiben wir dabei! Hat
dir dein Vater mal etwas von seinem Großvater erzählt?“
    Leonore schlang sich
nachdenklich eine Strähne ihres braunen, schulterlangen Haares um den
Zeigefinger. „Mein Urgroßvater hatte mindestens sieben Kinder, vielleicht waren
es auch mehr, und wenn mein Vater in den Ferien zu Besuch auf den Bauernhof
kam, dann mußte er mithelfen, die Ernte einzubringen. Mein Urgroßvater konnte
keine Faulpelze leiden.“ Leonore brach ab. „Ja, mehr weiß ich nicht.“
    „Danke, Leonore, das war schon
sehr viel.“ Frau Dr. Mohrmann wandte sich an die Klasse. „Die Enkel des
Urgroßvaters mußten also auf dem Hof mithelfen, und die Kinder des
Urgroßvaters...“
    „Die erst recht!“ rief Katrin.
    „Und seine Frau?“
    „Natürlich auch!“ sagte Silvy.
    „Die ganze Familie half also
zusammen, nicht wahr? So war es nicht nur bei den Bauern, sondern auch bei den
Handwerkern und bei den Heimarbeitern. Die Familie half dem Vater bei der
Arbeit. Und heute?“
    „Brauchen wir nur noch der
Mutter beim Abwaschen zu helfen!“ sagte eines der Mädchen.
    „Tja, falls man keine
Geschirrspülmaschine hat!“ ließ sich Katrin vernehmen.
    „Bleiben wir erst mal beim
Vater“, sagte Frau Dr. Mohrmann. „Was hat sich in der Industriegesellschaft
geändert?“ Sie gab sich selber die Antwort. „Die meisten von euch werden sehr
wenig von der Arbeit ihrer Väter wissen. Der Vater arbeitet nicht mehr zu
Hause, nicht mehr in der Nähe der Wohnung, selten noch in einem Laden oder
einem Betrieb, der in der Wohnung oder nahe dabei ist, sondern meistens in
irgendeiner großen Firma, zu der die Familie keine Beziehung hat. Habe ich
recht?“
    Sie bekam so viele Antworten
auf einmal, daß sie eine Weile warten mußte, bis sich der Sturm gelegt hatte.
    „Fein“, sagte sie, „ich sehe,
das ist ein Thema, das euch interessiert und über das ihr viel zu erzählen
wißt. Dann wird es euch bestimmt freuen, einen Aufsatz darüber zu schreiben...“
    Sie achtete nicht auf die
langgezogenen „O — o — o — chs“, die hörbar wurden, sondern ging zur Wandtafel,
nahm die Kreide und schrieb mit ihrer schönen flüssigen Schrift: „Was ich von
dem Beruf meines Vaters weiß...“ Sie drehte sich zur Klasse hin um. „Wem gar
nichts einfällt oder wer aus irgendwelchen Gründen nicht über seinen Vater
schreiben will, kann auch den Beruf eines Großvaters oder Urgroßvaters zum
Thema nehmen. Ihr habt drei Tage Zeit.“ Sie warf einen Blick auf ihre
Armbanduhr, und genau in diesem Augenblick klingelte es zur großen Pause.
     
     
     

Im Wäldchen der Parkschule
     
    Der Architekt, der die
Parkschule entworfen hatte, hatte sich für den Schulhof etwas Besonderes
ausgedacht: ein Stück des alten Stadtwaldes war in das Schulgebäude einbezogen.
Die Buchen und Tannen standen nur nicht mehr so dicht wie im Wald, das
Unterholz war niedergemacht, der Boden planiert worden. Jetzt konnte man
zwischen den Bäumen Spazierengehen, Nachlaufen und Verstecken spielen.
    Der Baumbestand machte es den
Lehrern einigermaßen schwierig, ihre Schäfchen während der Pause im Auge zu
behalten. Aber die Schülerinnen liebten ihr „Wäldchen“, wie sie es zärtlich
nannten, und in den Pausen war es immer der Hauptanziehungspunkt.
    Die Mädchen der 6a stürmten mit
einer Geschwindigkeit aus der Klasse und die breite, geschwungene Treppe
hinunter, als gälte es einen Weltrekord zu brechen, allen voran die Freundinnen
Katrin, Silvy, Olga, Ruth und Leonore. Sie wollten ihren Lieblingsplatz, einen
Bretterstapel, erreichen, der ihnen bei jeder Gelegenheit von den Mädchen der
8. Klasse streitig gemacht wurde.

    Diesmal schafften sie es und
kletterten mit Hallo hinauf. Der Bretterstapel lag so günstig, daß auch jetzt,
im Spätherbst, das volle Sonnenlicht darauf fiel. Außerdem bot er eine wunderbare
Aussicht auf den Stadtwald, der sich einen kleinen Berg hinaufzog und in
gelben, roten, grünen und braunen Tönen leuchtete.
    Die Mädchen reckten ihre
Gesichter der Sonne entgegen, um ihre sommerliche Bräune aufzufrischen. Nur
Olga Helwig lehnte im Schatten einer Buche.
    Leonore streckte ihr die Hand
hin. „Komm, Olga, es ist noch ein Platz frei! Ich
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