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Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte

Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte

Titel: Katie außer Rand und Band - wie eine Hundedame unser Herz eroberte
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Klarsichtfolie wickelte. Ich sah sie mit ihrer Donald-Duck-Mütze am Tisch sitzen und mit Ryan kichern, während sie sich bei einem Kartenspiel vergnügten. Ich sah, wie sie Ryans schokoladenverschmierten Mund mit einer Serviette abwischte; wie sie ihn vom Schulbus abholte; wie sie eine Halloween-Maske aufsetzte, um zusammen mit ihm von Tür zu Tür zu ziehen und »Süßes oder Saures« zu rufen. Ich sah, wie sie ihn zärtlich zudeckte, nachdem sie ihn ins Bett gebracht hatte.
    Und ich sah die Älteste lachen, wenn sie wieder einmal einen meiner schrecklichen Kuchen kostete und mich darauf hinwies, dass ich wohl das Salz mit dem Zucker verwechselt hatte; wie sie nach meinem Fahrradunfall ins Krankenhaus geeilt war und mir am nächsten Tag eine frisch gekochte Hühnersuppe brachte; wie sie forsch mit Katie Gassi ging, wenn ich es nicht konnte, und sie nach einem Spaziergang im Regen trocken rubbelte. Ich sah, wie sie sich an meinen Arm klammerte, als wir durch den Matsch zu Arthurs Grab schritten.
    Nie würde ich vergessen, wie Katie, Pearl, John und Ryan sich für meinen Artikel in Family Circle hatten fotografieren lassen und wie Pearl später am Esstisch saß, den Artikel las und ihn dann all ihren Freundinnen zum Lesen gab. Ich spürte, wie ihre Hand fest auf meiner Schulter lag – sie war so stolz auf mich gewesen.
    In diesem Kaleidoskop glücklicher Erinnerungen sah ich auch Pearls Gastauftritte auf meinen Partys; wie sie gefolgt von Katie hocherhobenen Kopfes hereinschritt, während ich verkündete: »Und hiiiier kommt Granny!«
    In meinem Kopf hallten ihre Ratschläge nach, ihre Meinungen und vor allem ihr Lachen.
    »Durst«, sagte sie. Ihre Lippen waren aufgesprungen.
    »Sie darf kein Wasser trinken«, sagte die Krankenschwester. »Ich bringe Ihnen ein bisschen Eis, das kann sie haben.«
    Sie überreichte mir einen Teller mit Eissplittern, die an Hölzchen hingen. Ich hielt ihr ein Hölzchen an den Mund, und sie saugte gierig daran und war dankbar, dass sie ihre Lippen befeuchten konnte. Sie schien auch etwas wacher zu sein.
    »Ich rufe Lee an, dann kannst du ihr Hallo sagen«, meinte ich. Granny nickte.
    Ich hielt ihr mein Handy ans Ohr. »Pearlie, wie geht es dir? Hast du Schmerzen?«, fragte Lee.
    »Nein, es geht schon«, wisperte Pearl fast unhörbar. »Wie geht es dir?«
    »Mir geht’s gut. Pearlie, fällt dir das Sprechen schwer?«
    »Ja.«
    »Dann hör mir einfach nur zu. Glenn wird morgen früh bei dir vorbeischauen, und ich komme dann am Nachmittag.« Lee fing leise an zu weinen, sie spürte wohl, dass das womöglich ihr letztes Gespräch war.
    »Ich liebe dich, Pearlie Girlie.«
    »Ich dich auch.«
    »Bis später«, sagte Lee.
    Kurz darauf verabschiedete ich mich von Granny. »Okay, Granny«, sagte ich und drückte ihre Hand, »ich gehe jetzt und komme morgen früh wieder.«
    Sie betrachtete mich und nickte.
    Das war das letzte Mal, dass ich Pearl sah.
    In der Nacht zum 18. Oktober 2004 wurde ich um etwa drei Uhr von meinem Telefon geweckt. Ich hob im Halbschlaf den Hörer ab. Es war ein Krankenpfleger aus dem St. Vincent’s, den ich am Nachmittag kennengelernt hatte. »Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihre Freundin Pearl vor wenigen Minuten verschieden ist.«
    »Wie ist sie gestorben?«, fragte ich.
    »Sie hatte keine Schmerzen. Sie hat geschlafen, und dann hat sie einfach aufgehört zu atmen.«
    Nun war es also so weit. Der Tod ist seltsam: In einem Moment ist die Person, die man liebt, da und hält einem die Hand; sie ist zwar krank, aber sie atmet und lebt. Und dann ist sie weg.
    In gewisser Weise war ich erleichtert. Granny war frei, ihr Leiden hatte ein Ende.
    Seit Katies Tod war sie tieftraurig gewesen; sie hatte fast nur noch geschlafen oder ferngesehen und auf das Ende gewartet. Monatelang hatte eine schreckliche Stille in ihrer Wohnung geherrscht, John und Ryan waren weg, und ich war unterwegs.
    Hochbetagt, mit zweiundneunzig Jahren, konnte Granny nun in Frieden ruhen.
    Ich ging ins Esszimmer zu dem Einbauregal, in dem meine in Leder gebundenen Notizbücher und Fotoalben standen. Es waren insgesamt zwanzig, nach Themen geordnet: Grannys Party zum Fünfundachtzigsten, Katie der Wunderhund, Halloween, Valentinstag und so weiter. Ich zog das größte Album heraus, ein rotes, in das ich die Fotos von Granny, Katie, Ryan und mir geklebt hatte.
    Damit ging ich ins Bett und betrachtete den Rest der Nacht die Bilder, in denen unsere Geschichte lebendig wurde. Zwei Fotos
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