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Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Katherine Neville - Das Montglane-Spiel

Titel: Katherine Neville - Das Montglane-Spiel
Autoren: Malaxis
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energisch mit sich und erinnerte sie an die Sünde der Unpünktlichkeit.
„Wenn du so trödelst, wird die Ehrwürdige Mutter uns wieder eine Buße auferlegen“, ermahnte sie Valentine.
Ihre Cousine riß sich los und drehte sich ausgelassen im Kreis. „Die sonnt sich im Frühling!“ rief sie mit ausgebreiteten Armen und beinahe über den steilen Felsen in die Tiefe gestürzt. Mireille zog sie dem gefährlichen Abhang weg.
„Warum müssen wir in dem dumpfen Kloster eingesperrt sein, wenn draußen alles vor Leben nur so sprüht?“
„Weil wir Nonnen sind“, erwiderte Mireille belehrend. Sie lief jetzt noch schneller und nahm die Hand nicht mehr von Valentines Arm. „Und weil es unsere Pflicht ist, für die Menschen zu beten.“
Der warme Dunst, der vom Talboden aufstieg, war betäubend schwer und tränkte alles mit dem sinnlichen Duft der Kirschblüten. Aber Mireille versuchte, die Gefühle nicht zu beachten, die das in ihr auslöste.
„Gott sei Dank sind wir noch keine Nonnen!“ rief Valentine. „Bis wir das Gelübde abgelegt haben, sind wir nur Novizinnen. Noch können wir gerettet werden! Ich habe die alten Nonnen miteinander tuscheln hören. Soldaten ziehen durch das Land und rauben die Klöster aus. Sie nehmen die Priester gefangen und bringen sie nach Paris. Vielleicht kommen auch ein paar Soldaten hierher und bringen mich nach Paris. Vielleicht gehen sie dann jeden Abend mit mir in die Oper und trinken Champagner aus meinem Schuh!“
„Soldaten sind nicht immer so liebenswürdig, wie du anscheinend glaubst“, erklärte Mireille, „schließlich ist es ihre Aufgabe, Menschen zu töten, und nicht, mit ihnen in die Oper zu gehen.“
„Nein, sie töten nicht nur“, erwiderte Valentine und senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. Der Zug der Nonnen hatte inzwischen den Gipfel des Hügels erreicht. Der Weg wurde erheblich breiter und verlief jetzt gerade; die glatten Pflastersteine erinnerten eher an eine Durchgangsstraße in einer größeren Stadt. Auf beiden Seiten der Straße standen hohe, alte Zypressen, die mahnend aus dem Meer der blühenden Kirschbäume aufragten. Sie wirkten steif und abweisend und, wie das Kloster selbst, seltsam fremd und ungastlich.
„Ich habe gehört“, flüsterte Valentine ihrer Cousine ins Ohr, „daß die Soldaten schreckliche Dinge mit den Nonnen anstellen! Wenn ein Soldat auf eine Nonne triff - zum Beispiel im Wald -, holt er sofort ein Ding aus der Hose, steckt es in die Nonne und rührt damit in ihr herum. Und wenn er fertig ist, hat die Nonne ein Kind!“
„Das ist ja Gotteslästerung!“ rief Mireille und wich in gespieltem Entsetzen vor Valentine zurück. Dann versuchte sie, ein Grinsen zu unterdrücken, und sagte kopfschüttelnd: „Ich glaube, du bist doch zu lebenslustig für eine Nonne.“
„Der Meinung bin ich auch“, gestand Valentine, „ich wäre lieber die Braut eines Soldaten als die Braut Christi.“
Die beiden Cousinen erreichten die vier Doppelreihen Zypressen, die vor dem Klostereingang ein Kreuz bildeten. Unter den hohen Bäumen war es dunkel, und graue Nebelschwaden schwebten dazwischen. Mireille und Valentine liefen durch das Klostertor und überquerten schnell den großen Innenhof. Die Glocke läutete immer noch, während sie sich dem hohen Holztor des Hauptgebäudes näherten. Im dichten Nebel klang es wie das hohle Geläut einer Totenglocke.
Die beiden blieben vor dem Tor stehen, kratzten den Dreck von den Stiefeln, bekreuzigten sich hastig und eilten durch das hohe Portal. Sie blickten nicht zu der Inschrift in ungelenken, fränkischen Buchstaben hinauf, die über dem Portal in Stein gehauen war. Aber sie wußten, was dort stand, als seien ihnen die Worte ins Herz gemeißelt:
    Nur die Hand Gottes steht über dem König. Fluch dem, der diese Mauern schleift.
    Unter der Inschrift stand in großen Lettern: CAROLUS MAGNUS. Er hatte das Kloster erbaut und jeden mit dem Fluch belegt, der es zerstören würde. Er hatte vor mehr als tausend Jahren als mächtigster Kaiser über das fränkische Reich geherrscht. Man nannte ihn Charlemagne - Karl den Großen.
    Im Innern war das Kloster kalt, dunkel und feucht. An den Wanden wuchs Moos. Aus der Kirche drang das eintönige Gemurmel der Novizinnen, die unter dem leisen Klicken ihrer Rosenkränze Ave Marias, Glorias und Vaterunser beteten. Valentine und Mireille eilten durch das Gotteshaus, als die letzten Schwestern das Knie beugten, und folgten dem leisen Geflüster zu der kleinen Tür
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