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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition)
Autoren: Philipp Reinartz
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Augen. Ana kann das Handy hier nicht selbst eingeschlossen haben!
    In irgendeiner Doku hat ein Junge mit ADS mal gesagt, dass seine Gedanken immer Trampolin springen. Genauso fühle ich mich gerade. Um mich nicht an der Decke zu stoßen, gehe ich kurz vor die Tür und schlendere durch unsere enge schattige Gasse. Wie kommt Anas Handy in den Spind? Und wie kommt das Bild von Calli auf dem Trampolin aus meinem Kopf?
    Es ist schon komisch, dass sie mich nach Spanien lotst und jedes Treffen scheitert. Plötzlich schießt mir noch einmal Wilhelms Seitenblick zu Lenny vor die Linse. Hat sie? Warum fragt Wilhelm Lenny, ob Ana mir geschrieben hat? Hat mich wirklich Ana nach Spanien gelockt? Eigentlich weiß ich es ja nur von Lenny. Das mit dem angeblichen Flug nach Valencia. Und das mit dem Kondom auch. Und präventiv hinzufliegen war Wilhelms Idee. Ausgerechnet am Tag, nachdem ich ihnen unseren Urlaub abgesagt habe. Aber die SMS später kamen ja von Ana. Obwohl. Sie kamen von einer unbekannten Nummer. Das hieße, dass einer der beiden ein Ersatzhandy … schlagartig paaren sich Gedanken und Erinnerungen in meinem Kopf wie Lloret-Urlauber im Quinto Pino. Monas Ersatzhandy! Lenny wollte unbedingt noch sein Survival-Set aus dem Auto holen. Im Flugzeug durfte ich keinen Blick reinwerfen. Das schwarze Kabel. Es passt alles.
    Stilechter wäre es, sich die Geschichte bei Nacht im prasselnden Regen durch menschenleere Gassen hetzend zusammenzureimen. Stattdessen schiebe ich mich bei warmer Nachmittagssonne an lauten Touristengruppen vorbei. Und trotzdem reimt sich alles. Lenny und Wilhelm haben mir Ana vorgespielt, damit wir doch noch zu unserem Urlaub kommen. Deswegen hat sie nie abgenommen, wenn ich sie angerufen habe. Von wegen Mysterious Girl 3000. Und vom Luna Mar hat Lenny wahrscheinlich auf einem Flyer gelesen. In so einen Touri-Schuppen würde Ana nie gehen.
    Dann kam ich mit meiner Drogengeschichte, und die beiden hatten genug. Die angebliche Freundin von Ana im Club. Lenny wollte mich nicht mit ihr reden lassen, weil sie Ana überhaupt nicht kennt. Er hatte ihr wohl einen Drink für ihre Ein-Satz-Sprechrolle versprochen.
    Und der Anruf in der Redaktion, die andere Nummer, die harmlose Nachricht vorhin – das ist die wirkliche Ana! Darum war Lenny auch so verwundert. Ich blättere noch einmal durch meinen SMS-Speicher. Ihre freundliche Frage, ob wir zusammen was trinken gehen, beantworte ich mit «Wo denn? Valencia? Barcelona? Oder dieses Mal Madrid?». Die muss mich für komplett ballaballa halten.
    «Eh!? Valencia ist eine von meine Lieblingsstädte ;) W84U um 10?»
    Dann war das mit Valencia vielleicht einfach nur ein Kommentar zu meiner verstörenden Nachricht. Aber wo treffen wir uns dann um zehn? Hatte Inspector Toddner recht mit seinem chinesischen Holz-Affen? Ist mit W84U doch was anderes gemeint?
    Ich setze mich auf eine Bank am Rande eines Platzes. Hier war ich schon mal. Vorgestern. Wieder flitzen unermüdliche Kinderbeine über den Steinboden. Genau hier habe ich Anas Zeilen gelesen. Fake-Anas Zeilen. Meine besten Freunde haben mich auf eine Odyssee nach Spanien geführt, um einer Frau hinterherzujagen, die wahrscheinlich die ganze Zeit in Köln sitzt. Am liebsten würde ich die beiden gerade in ein BoConcept-Hängemodul aus schwarz gebeizter Eiche Furnier sperren und eine Stielhandgranate «OHL Viktoria» reinwerfen. Wilhelm fliege hoch! Exploding 3000, Lenny!
    Ich hätte problemlos und sorgenfrei die ganze Woche in der Redaktion sitzen können, statt planlos von einer Katastrophe in die nächste zu stolpern. Gut, dort wär’s jetzt nicht so spannend gewesen, aber … solide. Hier war ja alles insgesamt eher … wobei, das mit dem Hotelzimmer war schon lustig. Und die Tomatina irgendwo auch. Die Verfolgungsjagd war stressig. Aber legendär. Und Dr. Kamphaus …
    Ich bin merkwürdigerweise überhaupt nicht in der Stimmung, Lenny und Wilhelm die Freundschaft zu kündigen und Kratzklaus um Vergebung zu bitten. Wir sind gerade einmal fünf Tage hier, und ich habe mehr erlebt als in meinen letzten fünf Jahren. Eigentlich geben mir die News ungefähr so viel wie das Wort Wertebewusstsein. Nichts. Vielleicht muss man wirklich 1000 Kilometer vom Server entfernt auf einer Parkbank in der Nachmittagssonne sitzen, um das zu kapieren. Verwirrt, müde und verliebt. Ob die News jemals in einem Atemzug mit dem Wort Wertebewusstsein genannt wurden?
    Mir geht es eigentlich ganz gut. Und was immer in der Nacht wirklich
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