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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition)
Autoren: Philipp Reinartz
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viele Situationen, in denen die Spanisch-für-den-Urlaub-Sprüche angebracht sind. Aber es gibt definitiv Situationen, in denen sie vollkommen unangebracht sind. Zum Beispiel hier. Das war’s. Einmal News und zurück.
    Es ist wie bei Columbo. Da denkst du, du hast alles perfekt vorbereitet, dir wird niemand auf die Schliche kommen, und zack findet so ein Faltengesicht im zerknautschten Regenmantel doch noch einen vergifteten Zigarettenstummel im Pool der Nachbarvilla.
    Auf meinen hinterhältigen Plan werden die nicht kommen, aber zum Doofreporter reloaded werde ich mit Sicherheit gemacht. Und wahrscheinlich auch zum arbeitslosen Doofreporter reloaded. Ich sehe mich schon in zehn Jahren als alkoholabhängigen Protagonisten einer 37-Grad -Reportage mit dem Titel «Wenn ein einziger Fehler ein ganzes Leben zerstört» neben zu Guttenberg und einem Pfuschchirurgen.
    «Lasst uns heimfahren. Ich glaube, ich habe keine Lust mehr auf Valencia», durchbreche ich die Stille.
    «Wieso denn schon wieder Valencia?» Wilhelm hat das vorhin vor lauter Wackellobhudelei wohl gar nicht mitbekommen.
    «Weil Ana mir geschrieben hat, dass sie da ist.»
    «Hat sie?», fragt Wilhelm und schaut dabei Lenny an.
    «Hat sie nicht», meint Lenny.
    «Spinnst du? Ich hab dir doch die SMS gezeigt!»
    «Max, könnte ich kurz mit Wilhelm alleine besprechen, ob wir wirklich Lust auf das 15. Kapitel deiner unendlichen Geschichte haben?»
    Ich schlurfe aus dem Fernsehraum und lese noch einmal Anas SMS. Rote Wand? Entweder Gudrun Schneyder entschlüsselt mir das, oder ich rufe Ana an und frage, was sie meint. Ich kann partout keine Gudrun Schneyder in meinem Telefonbuch finden und wähle den Eintrag Ana. Oder soll ich lieber die neue Nummer anrufen? Aber das war wahrscheinlich das Handy einer Freundin. Von dem hat sie mir nur geschrieben, weil sie auf ihrem eigenen kein Geld mehr hat. Schließlich spart sie seit Tagen auf das Hotelzimmer heute Abend, über den Dächern Valencias mit Balkon und Privat-Jacuzzi. Es ist ein schmaler Grat zwischen Optimismus und Verblendung.
    Ich lehne mich an den Schrank mit den Schließfächern und drücke den grünen Hörer. Es tutet. Zufälligerweise beginnt im selben Moment in einem Spind hinter mir ein Handy seine Melodie zu trällern. Es tutet weiter. Es gibt wenige so monotone und gleichzeitig doch so spannende Ereignisse wie den Tut-Thriller bei wichtigen Telefonaten.
    Bei den ersten Tönen bleibst du noch entspannt. Schon jeder Praktikant lernt, dass man es zwei- bis dreimal klingeln lassen sollte, um nicht als unbeschäftigt zu gelten. Nur Großeltern im Altersheim sind schon vor dem ersten Läuten dran, weil sie verdachtshalber alle dreißig Sekunden den Hörer abnehmen. Wenn nicht gerade Sturm der Liebe läuft.
    Aber dann kommen die aufregenden Töne vier und fünf. Hier entscheidet sich alles. Die Nervosität steigt. Du kannst dir kaum vorstellen, gleich wirklich im Gespräch zu sein. Was sollst du sagen? Beim sechsten oder siebten Ton kippt die Stimmung dann. Du merkst, dass die Abnehm-Wahrscheinlichkeit rapide sinkt.
    Ab dem achten Tuten geben nur ganz Verzweifelte noch nicht auf. Britische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass ab diesem Moment nur noch 4 Prozent aller Anrufe entgegengenommen werden, aber 34 Prozent von uns weiter in der Leitung bleiben. Habe ich neulich in einer Zeitschrift gelesen. Noch merkwürdiger als dieser Fakt sind für mich schon seit langem diese ominösen britischen Wissenschaftler, die immer als Quelle dienen, wenn es um ganz absurde Studien und Forschungsergebnisse geht. Ich glaube ja, dass die Weltpresse zusammengelegt hat, um einen Haufen verrückter Professoren in irgendein abgespacetes Labor auf der Insel zu sperren. Unterirdisch, fernab vom gesunden Menschenverstand, nur mit ein paar genetisch modifizierten Mäusen. Dort sind die weißhaarigen Knallköpfe jetzt rund um die Uhr damit beschäftigt, medientaugliche Studien ohne wissenschaftlichen Mehrwert durchzuführen. Damit die Glamour schreiben kann «Lidschatten kann zu Prostatakrebs führen» und Neon «Wer als Kind gerne Äpfel gegessen hat, hat bei der Jobsuche bessere Karten». Manchmal werden als Inspirationsquelle auch noch ein paar beim Auswärtsspiel in Polizeigewahrsam genommene Liverpooler Hooligans dazugesteckt. Das führt dann zu Studien, deren Ergebnisse der Boulevard noch stolzer verkündet: «Britische Wissenschaftler: Bier macht glücklich» oder «Erwiesen: Schädelhirntrauma
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