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Katerstimmung (German Edition)

Katerstimmung (German Edition)

Titel: Katerstimmung (German Edition)
Autoren: Philipp Reinartz
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gesundheitsschädlich».
    Nach dem vierzehnten Klingeln lege ich auf. Ana geht nicht ran. Das Handy im Spind beendet just im selben Moment sein kleines Ständchen. Vielleicht ist sie schon im Bad, um sich für den Abend zu richten. Überlegt, wie viele Knöpfe ihrer Bluse sie auflässt, damit ich sie sexy, aber noch nicht billig finde. Schaut in den Spiegel und zeigt auf sich selbst. Jetzt oder nie.
    Ich versuche es noch einmal. Zu meiner Überraschung klingelt es erneut im Spind. Da ist wohl jemand genauso hartnäckig wie ich. Ich bin immer noch ein bisschen aufgeregt, doch dieses Mal kitzelt der Tut-Thriller meine Nerven schon weitaus weniger. Wenn Teil eins schon ohne Höhepunkte verlaufen ist, wird es in der Fortsetzung vermutlich nicht besser. So ähnlich wie bei Shark Attack .
    Wieder haucht es nicht «Hola» aus dem Hörer. Dieses Mal habe ich bis zum zwölften Tut durchgehalten. Und wieder verstummt im selben Moment das Spind-Handy. Ich weiß zwar, dass da keinerlei Zusammenhang bestehen kann. Aber ich weiß auch, dass mein Schicksal nicht von meinem Laufstil auf dem Gehweg abhängt. Und trotzdem versuche ich nie, auf die Grenze zwischen den Steinplatten zu treten. Spieltrieb? Neurose? Ich rufe noch mal an.
    Wieder dudelt der Schrank. Dieses Mal warte ich nur wenige Sekunden, dann lege ich auf. Der Schrank schweigt. Langsam wird es unheimlich. Irritiert mustere ich die Schließfächer. Irritiert mustert der Typ am Empfang mich. Nächster Versuch. Ich wähle, es tutet, es klingelt. Das kann doch nicht wahr sein. Wie eine Kandidatin bei Geh aufs Ganze! starre ich auf die ungeöffneten Tore vor mir. Der Zonk hinter dem Tresen glotzt mich an, als sei ich eine Präsentierdame, die gleich hinter Tor 2 über den Rückspiegel des Mazda 626 streichelt. Ich lasse stattdessen mein Ohr über die drei mal sieben Schließfächer wandern und wähne das Handy in einem mittleren Spind auf der rechten Seite. Jörg Draeger bietet mir keine 200 DM an, wenn ich mich umentscheide. Aber das sollte man in jedem Fall, habe ich mal gelesen. Erhöht die Wahrscheinlichkeit, das Auto zu erwischen statt der hässlichen roten Dödööp-Fratze. Die Mathematiker nennen es Ziegenproblem. Wieso sie sich mit so was beschäftigen, ist mir allerdings unklar. Im Alltag bin ich bisher selten in die Situation gekommen, dass mir jemand Autos mit Räkeldamen hinter Toren versteckt hat. Ich bleibe bei meinem Tipp. Erstens war ich nie gut in Wahrscheinlichkeitsrechnung. Und zweitens fürchte ich hinter den Mathematikern britische Wissenschaftler.
    Ich warte erst einmal ab. Umgekehrter Beweis. Wenn mein Anruf ein Klingeln verursacht, müsste mein Nicht-Anruf auch ein Nicht-Klingeln verursachen. Klingt fast nach Aristoteles, nur halt mit Handy. Aristoteles 3000.
    Nach zwei Minuten setze ich zum alles entscheidenden Versuch an. Ich mag keine Ahnung von Wahrscheinlichkeiten haben, aber wenn es jetzt wieder zeitgleich klappt, dann ist das Argument Zufall wohl chancenlos. Da wären wir wahrscheinlichkeitstechnisch schon fast in der Kategorie Blitzeinschlag, Lottogewinn oder das mit der Katze, die über das Klavier läuft und zufällig die Mondscheinsonate spielt.
    Es klingelt. Alles klar. Im Spind vor mir befindet sich Anas Handy. Wer daran noch zweifelt, zweifelt vermutlich auch noch in der Elefantenrunde am Ergebnis der Bundestagswahl. Ana ist oder war bis vor kurzem in Barcelona. In meinem Hostel. Verfolgt sie mich? Aber wieso? Schreibt sie mir deswegen von einem neuen Handy, weil sie ihr altes hier vergessen hat? Bin ich in der Truman Show ? Kommen gleich Geli, Bruno Blequala, Latino-Owen und Wasim mit einer Torte vorbei? Reingelegt? Oder Dieter Bohlen? Und zack? Und zonk? Ganz ruhig. Mein Sonnengeflecht wird strömend warm. Ommm. Klappt nicht.
    Eine der Engländerinnen lässt sich vom Tresentoni einen Schließfachschlüssel aushändigen. Sie öffnet ein Schloss in mittlerer Reihe. Loserschlüssel. Plötzlich erstarre ich. Kein Schließfach wird zufällig vergeben. Lennys Worte wabern mir wie ein böses Orakel durch den Geist. «Es gibt Loserschlüssel, Arschschlüssel und Brust-und-Bauch-Schlüssel. Einen Loserschlüssel bekommen nur Bratzen.» Bratzen! Die Engländerin gehört zweifelsohne in diese Kategorie. Aber zwei daneben, auch auf mittlerer Höhe, ist der Spind mit Anas Handy. Die Geschmäcker mögen verschieden sein, doch ein Loserschlüssel für Ana wäre wie ein Brust-und-Bauch-Schlüssel für Reiner Calmund. Eine Beleidigung für die
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