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Katakomben (van den Berg)

Katakomben (van den Berg)

Titel: Katakomben (van den Berg)
Autoren: Mark Prayon
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wartete man schon. Auf dem Schreibtisch lag ein Zettel seines
Kollegen, der ihn in Großbuchstaben aufforderte, sich schnell bei ihm zu
melden.
    Eric
Deflandre stammte wie van den Berg aus Flandern, allerdings nicht aus Gent,
sondern Antwerpen. Er war im Gegensatz zu seinem Partner ein leidenschaftlicher
Frühaufsteher und schon seit zwei Stunden eifrig bei der Arbeit. Der junge
Polizist war bei den Kollegen anfangs als Streber verschrien, als Besserwisser,
als Neunmalkluger. Seine dunklen Haare trug er vorn und an den Seiten kurz,
dafür aber bis in den Nacken, zudem hatte er ein Faible für auffällige
Goldkettchen. Deflandre wusste von den Frotzeleien seiner Kollegen und war
clever genug, cool zu bleiben. Van den Berg hatte ihm ein paar Mal tüchtig den
Kopf gewaschen. Mittlerweile zeigte Deflandre ab und an sogar soziale Züge. „Du
wirst es nicht glauben, das Mädchen ist vergiftet worden.“ Van den Berg blickte
seinen Kollegen überrascht an. „Vergiftet?“ „Warum auch nicht? Ist doch eine
saubere Art, jemanden um die Ecke zu bringen. Es steht ja nicht jeder drauf,
seinem Opfer die Kehle durchzuschneiden.“ Van den Berg nickte nachdenklich und
strich über seinen Dreitagebart. Seine Halsschlagader sah nun furchterregend
aus. „Link und feige, jemanden so zu töten. So ein Dreckskerl!“ Der Kommissar
rief den Pathologen an, der versprach, umgehend in sein Büro zu kommen. Franz De
Coster genoss ein hohes Ansehen unter den Polizisten, zumindest was seine
Fähigkeiten als Mediziner betraf. Sein lehrerhaftes gestelztes Auftreten
dagegen ging allen auf die Nerven. De Coster trug einen kunstvoll rasierten
Kinnbart und war wie immer akkurat gescheitelt. Die rundliche Brille mit
Goldrand wirkte seltsam in dem schmalen Gesicht. „Curare“, begann De Coster
wichtig. Er genoss die unwissenden Blicke der beiden Kollegen. „Spann uns nicht
auf die Folter“, raunte van den Berg genervt.
    „Curare
ist ein kompetitiver Blocker des nikotinergen Acetylcholin-Rezeptors .“ De Coster lächelte
überlegen in die Runde. Van den Berg holte tief Luft. „Komm auf den Punkt, Mensch!“
„Ein Pflanzengift“, erklärte De Coster. Die beiden Polizisten schauten sich
ratlos an. Van den Berg sinnierte. Ein Pflanzengift also … De Coster schien van
den Bergs Gedanken zu lesen. „Selbstmord können wir vergessen und aus Versehen
schluckt man so was ganz bestimmt nicht“, sagte der Doc, während er seine
irritierende Brille abnahm. „Dieses Gift kommt in Europa praktisch nicht mehr
vor. Es wird in Südamerika zur Jagd verwendet und aus den Blättern von Lianen
gewonnen. Das Mädchen hat das Zeug sicher nicht besessen, aber das ist ja euer
Job.“ „In Belgien gibt es das überhaupt nicht?“ De Coster schüttelte weise den
Kopf. „Offiziell jedenfalls nicht mehr.“ „Was heißt nicht mehr?“ „Curare ist
Anfang des 20. Jahrhunderts in Krankenhäusern bei verschiedenen Krankheitssymptomen
eingesetzt worden, unter anderem bei Tollwut und Epilepsie. Heute ist Curare im
Prinzip überflüssig, es wird durch synthetische Stoffe ersetzt.“ Die Polizisten
wurden unruhig. Deflandre wippte auf seinem Stuhl herum wie ein
unkonzentrierter Schuljunge. „So ein Mädchen zu vergiften, das ist echt krank.“
Van den Berg dachte nach. „Was für ein Mensch tut so was?“ De Coster setzte
wieder sein wichtiges Gesicht auf. „Das Gift ist gespritzt worden, genauer
gesagt in den linken Arm. Im Verdauungstrakt hätte es keinen allzu großen
Schaden angerichtet, in der Blutbahn ist es allerdings absolut tödlich.“ Die
beiden Cops schauten sich fragend an. „Welche Menge braucht man?“, raunte van
den Berg ungeduldig. „Das kommt ganz darauf an. Bei unserem Mädchen dürften 30
Milligramm ausgereicht haben. Freiwillig nimmt so was niemand, selbst dann
nicht, wenn man sich umbringen will. Curare bewirkt Atemstillstand – ein
widerlicher Tod.“ De Coster mimte theatralisch einen Sterbenden. Van den Berg verzog
sein Gesicht. Die zynische Art des Pathologen kotzte ihn an. „Noch etwas: Das
Mädchen hatte Sex, unmittelbar vor dem Tod.“ „Was heißt das?“, fragte der
Kommissar gespannt. „Längstens eine Stunde vor dem Exitus – das Sperma hat es
uns verraten.“ Van den Berg kräuselte die Nase, dann fiel ihm noch etwas ein.
„Was ist mit diesem Brandzeichen? Kannst du sagen, wie lange sie das Ding schon
auf dem Pelz hat?“ „Frisch ist das hübsche Stück nicht - ich bin sicher, die
Süße hatte das schon ein paar Jahre
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