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Kastner, Erich

Kastner, Erich

Titel: Kastner, Erich
Autoren: Die verschwundene Miniatur
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anlangt, war die Manipulation sehr einfach. Als das Licht erlosch, lag die Kopie noch auf dem Tisch. Sie war ja Herrn Külz gerade erst von der Bande heimlich zurückgebracht worden! Ich stahl im Dunkeln das Original aus Fräulein Trübners Handtasche.
    Dann legte ich es, als sei es die Kopie, auf den Tisch, und nun stahl ich die Kopie! Und mit der Kopie rückte ich aus.« Er besann sich und lächelte amüsiert. »Na ja. Nun mußten selbstredend alle Beteiligten glauben, ich sei mit dem Original verschwunden! Dadurch verlor die Bande an Fräulein Trübner und Herrn Külz jegliches Interesse. Sie verfolgte von jetzt ab mich und das vermeintliche Original in meiner Tasche. So gelang es mir, die Kerle von Warnemünde bis nach Berlin hinter mir herzulocken. Und dann Heß ich sie in meiner Wohnung verhaften. Es war verhältnismäßig einfach, wie Sie sehen. – Und das wirkliche Original war vorläufig in Sicherheit. Und Fräulein Trübner und Herr Külz auch.«
    »Großartig!« rief der Fleischermeister. »Fabelhaft! Wenn man so was hört, könnte man neidisch werden!«
    Der alte Kunstsammler nickte bedächtig.
    Generaldirektor Kühlewein allerdings, der war gebrochen! Solche Methoden waren ihm im Versicherungsgewerbe neu.
    Joachim Seiler fuhr in seinem Bericht fort. »Während ich von meinem Stammcafe aus zusah, wie das Überfallkommando die Bande aus meiner Wohnung herausholte, erhielt ich vom Bandenchef, der sich übrigens noch immer in Freiheit befindet, einen Brief. Kurz darauf fuhr er in einem Taxi an mir vorüber. Er hatte sich zwar seinen prächtigen weißen Bart abnehmen lassen, aber ich erkannte ihn trotzdem. Und nun bekam ich’s von neuem mit der Angst. Ich fuhr schleunigst zur Yorckstraße und besuchte Frau Külz. Falls die Miniatur dort war, mußte sie unbedingt in Sicherheit gebracht werden.
    Und so stahl ich, nachdem ich in Warnemünde die Kopie gestohlen hatte, in Berlin auch noch das Original. Wenn man erst einmal auf die schiefe Ebene gerät, gibt es kein Halten mehr.«
    »Und jener Mann, den unsere Motorradstreifen verfolgen, ist der Chef der Bande?« fragte der Kommissar.
    »Wir wollen’s hoffen«, meinte Joachim Seiler. Er war etwas unaufmerksam geworden und blickte zu Irene Trübner hinüber, die versonnen aus dem Fenster sah.
    »Können Sie hexen?« fragte der Kommissar. »Wann haben Sie bloß Zeit gefunden, den Verkehrsschupos im Westen jene Zettel mit der Nummer des Taxis zuzuwerfen, in dem Ihr rasierter Räuberhauptmann saß?«
    »Hexen kann ich nicht«, antwortete der junge Mann. »Und mit den Zetteln habe ich nichts zu tun. Die muß mein Freund Struve verteilt haben.«
    Külz lachte aufgeräumt: »Der kleine Dicke aus Bautzen ist Ihr Freund? Na hören Sie, der hat ja einen schönen Spektakel gemacht, weil man ihn verhaftet hatte.«
    »Ich weiß«, sagte Seiler. »Wir trafen uns im Cafe. Und ich schickte ihn schleunigst hinter dem Räuberhauptmann her. Wer weiß, wo er jetzt steckt. Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen.«
    Der Kommissar setzte dem Generaldirektor auseinander, wieso ein Komponist namens Struve verhaftet worden war.
    »Entsetzlich!« erklärte Herr Kühlewein fassungslos. »Unter falschem Namen ist unser Subdirektor auch aufgetreten?«
    »Es mußte sein«, behauptete Joachim Seiler. »Ich war in Kopenhagen Zeuge, wie Fräulein Trübner und Herr Külz von einigen Mitgliedern der Bande beobachtet und verfolgt wurden. Deswegen suchte ich, unter fremdem Namen und Vorwand die Bekanntschaft der beiden Herrschaften zu machen. Ich mußte in nächster Nähe sein, wenn es Ernst werden sollte!«
    Irene Trübner sagte: »Herr Seiler erfand sogar eine Leipziger Cousine, die Irene heißt. Und einen Vetter, der in Hannover als Ohrenarzt sein Dasein fristet.«
    »Die Cousine war gelogen«, gab der junge Mann zu. »Doch der Ohrenarzt stimmt!«
    Generaldirektor Kühlewein rang die Hände. »Welche Delikte haben Sie eigentlich in den paar Tagen nicht begangen? Wie?«
    »Liegt Ihnen an einer exakten Aufzählung?« fragte Seiler.
    »Nein!« rief Herr Kühlewein. »Nein! Setzen Sie sich endlich hin, Sie Verbrecher!«
    Joachim Seiler nahm Platz. Er hatte mörderischen Hunger. Am liebsten wäre er auf der Stelle in die nächste Aschingerkneipe gelaufen.
    Während der Kriminalkommissar dem Kunstsammler und dem Generaldirektor in logischer und historischer Folge die abenteuerliche Geschichte der beiden Holbein-Miniaturen darlegte, betrachtete der junge Mann die junge Dame und fürchtete, sein Magen
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