Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaste der Unsterblichen

Kaste der Unsterblichen

Titel: Kaste der Unsterblichen
Autoren: Jack Vance
Vom Netzwerk:
schwebten an Türmen und Pagoden entlang, segelten dann so weit empor, bis Kharnevall nur noch eine in allen Regenbogenfarben schimmernde Schneeflocke war, und kehrten dann schließlich zur Anlegestelle zurück. Die Jacynth Martin war begeistert und aufgeregt und freute sich mit dem erfrischenden Lachen eines Kindes.
    »Und nun«, sagte Gavin Waylock, »von der Höhe in die Tiefe, vom Himmel ins Meer.« Er führte sie durch einen anderen Zugang und dann hinab in eine dunkle Halle. Sie kletterten auf eine pilzförmige Tribüne, und eine transparente Blase tropfte auf sie herab und hüllte sie ein. Sie wurden angehoben, in einen Kanal hinabgesenkt und schwebten blind durch stockfinstere Nacht. Ein Kosmos aus Wasser nahm sie in Empfang, als sie tiefer sanken, an Korallentürmen entlangglitten und durch ein tanzendes Seegrasballett trieben. Fische schwammen heran, um ihnen einen neugierigen Blick zuzuwerfen, Polypen wedelten mit purpurnen, roten und rosafarbenen Tentakeln. Sie schwebten über einen großen Abgrund hinweg, und unter ihnen war nichts, nur gähnende, pechschwarze Finsternis.
    Die Blase kehrte an die Oberfläche zurück, und sie wurden wieder ein Teil des Vitalitätsstrudels von Kharnevall.
    »Dort ist das Haus der Träume«, sagte Waylock und deutete in die entsprechende Richtung. »Man legt sich auf eine Couch und erlebt viele seltsame Dinge.«
    »Ich fürchte, ich bin viel zu aufgedreht, um jetzt zu träumen.«
    »Da haben wir das Haus der Fernen Welten. Dort kann man über den echten Boden von Mars und Venus wandern, die Moose von Jupiter und Saturn berühren und die imaginären Landschaften anderer Welten durchstreifen. Und dort drüben, auf der anderen Seite des Großplatzes, befindet sich die Offenbarungshalle – das ist immer recht amüsant.«
    Sie betraten die Offenbarungshalle und fanden sich in einer großen Kammer wieder, die bis auf eine Anzahl erhöhter Plattformen keine weitere Einrichtung aufwies. Auf jedem dieser Podeste stand ein Mann. Der erste war ernst, der zweite aufgeregt, der dritte zornig, der vierte hysterisch. Sie schrien, stritten und wandten sich an die Besuchergruppen, die ihnen mit Interesse oder scheuer Zurückhaltung zuhörten, amüsiert oder verwundert. Jeder der Sprecher hing einer anderen Art von religiösem Kult an. Der erste proklamierte sich selbst als Manitou, der zweite sprach von den Dionysischen Mysterien, der dritte forderte eine Rückbesinnung auf die Verehrung der Naturkräfte, und der vierte rief sich als Messias aus und verlangte von den Zuschauern, zu seinen Füßen zu knien.
    Waylock und Die Jacynth traten wieder auf die Straße hinaus. »Sie sind absurd und bedauernswert«, bemerkte sie. »Es ist eine Gnade, daß sie ein Forum besitzen, durch das sie ihren inneren Druck lindern können.«
    »Hat nicht ganz Kharnevall eine solche Funktion für die vielen Besucher? – Sehen Sie diese Leute dort?« Männer und Frauen strömten aus einem Ausgang, jeweils zu zweit oder zu dritt, aufgeregt, begeistert, manche kichernd, andere mit blassen Gesichtern. »Sie verlassen das Haus der Unbekannten Schrecken. Der Schrecken ist natürlich sehr wohl bekannt – es handelt sich um die Angst vor dem …« Er zögerte, das letzte Wort auszusprechen, das bei den Bürgern von Clarges als Obszönität galt, »… die Angst vor dem Übergang. Sie werden in eine Schlucht gestürzt und fallen schreiend achtzig und hundert Meter in die Tiefe. Ein Kissen fängt sie auf. Kaum sind sie wieder in der Passage, scheint sich ein Kessel mit kochendem Metall über sie zu ergießen, doch die brodelnde Masse wird abgelenkt – und fließt so dicht an ihnen vorbei, daß die Hitze sie beinahe versengt. Ein schwarzgekleideter Riese mit schwarzem Hut und Maske – ein stilisierter Assassine – führt sie in ein dunkles Zimmer, in dem er sie unter einer Art Guillotine festschnallt. Das Beil rast herunter und hält so an, daß die Schneide gerade den Nacken berührt. Dann kommen sie wieder heraus – blaß und lachend und geläutert. Vielleicht wäre es ganz interessant für uns, das … Abtreten zu simulieren. Ich weiß es nicht.«
    »Dieses Haus ist nichts für mich«, sagte Die Jacynth. »Da ich keine ihrer Ängste habe, ist eine solche Läuterung für mich nicht erforderlich.«
    »Nein?« er musterte sie durch die Augenschlitze in der Messingmaske. »Sind Sie denn noch so jung?«
    Sie lachte. »Ich besitze viele andere Ängste.«
    »Irgendein Haus in Kharnevall vermag Sie zu stimulieren.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher