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Kassandra Verschwörung

Titel: Kassandra Verschwörung
Autoren: I Rankin
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beauftragt worden und diese Nachforschung war mit Priorität behandelt worden. Mit Nachforschungen im Auftrag noch höherer Stellen hatte das Büro von Mr. Grayson noch nie zu tun gehabt.
    Die Information, das bloße Nebeneinanderstellen der Tatsache, dass in einer einzigen Nacht zwei Schiffe gesunken waren, wurde schnell von Sprosse zu Sprosse weitergeleitet, bis sie in einem Büro irgendwo im Zentrum Londons landete, wo ein fünfundzwanzigjähriger Mann, nur zwei Jahre älter als Jack Constant, sie las. Er summte eine Arie und kaute auf einem Bleistift, seine Beine vor sich ausgestreckt, die Füße gekreuzt. Um das überhaupt zu bewerkstelligen, hatte er seinen Stuhl ein Stück weit unter seinem Schreibtisch hervorgezogen, denn seine Beine waren zu lang, als dass er sie unter dem Schreibtisch hätte ausstrecken können. Direkt vor dem Schreibtisch befand sich eine Wand, an der Merkzettel, Postkarten und Anweisungen zum Verhalten im Brandfall hingen.
    Er las die Information dreimal. Die Nachricht hatte man ausgerechnet in der Le Monde entdeckt. Entweder war da jemand auf Zack, oder dieser Typ... wie hieß er noch mal, Grayson? Genau, oder dieser Grayson hatte das Ruder in seiner Abteilung fest in der Hand. Unter den gegebenen Umständen eine schlechte Metapher. Die weitergeleitete Information war inzwischen voluminöser geworden, da sie diverse Büros passiert hatte, in denen jeweils eigene Bemerkungen hinzugefügt worden waren. Doch obwohl sie voluminös war, wirkte sie zugleich windig, denn sie bestand aus mehreren Seiten dünnen Faxpapiers. Aus dem letzten Büro, in dem sie gelandet war, hatte man sie gefaxt (Standardpraxis). Das Original würde auch irgendwann eintrudeln, aber das Fax sollte kostbare Zeit sparen. Michael Barclay mochte keine Faxe. Zunächst einmal konnte er sich nicht vorstellen, wie sie vor Abfangversuchen sicher sein sollten, egal, wie oft die Technikabteilung ihn auch vom Gegenteil zu überzeugen versuchte. Man musste nur die Leitung eines Faxgeräts mit seinem eigenen Faxgerät anzapfen, dann erhielt man eine Kopie sämtlicher Faxe, die für den Empfänger des angezapften Geräts bestimmt waren. Codes konnten decodiert werden, Verschlüsselungen entschlüsselt. »Jede Abfangsicherung kannst du knacken«, hatte er seinem Kollegen von der Technik erklärt. Zum Beweis hatte er sein eigenes Abfanggerät zusammengebaut. Es hatte funktioniert, der Beweis war erbracht. Schließlich lebten die Geheimdienste davon, Informationen abzufangen, genauso wie die Abhörstationen, die das gesamte Vereinigte Königreich überzogen. Wenn überhaupt, gab es heutzutage ein Überangebot an nachrichtendienstlichen Informationen. Zu viele Informationen, um sie verarbeiten zu können.
    Sie verarbeiten zu können? Es gab zu viele Informationen, um sie auch nur aussieben , geschweige denn aufnehmen zu können. Gerade deshalb interessierte ihn diese kleine Geschichte. Es war ein absoluter Zufall, dass sie bis zu ihm vorgedrungen war. Das Bild eines einzelnen, in die Eizelle eindringenden Spermiums kam ihm in den Sinn. Reiner Zufall. Dieser Zufall, den wir Leben nennen: Exakt diese Worte standen auf einem über seinem Schreibtisch gepinnten Zettel.
    Dieser spezielle Zufall war jedenfalls durchaus dazu angetan, neugierig zu machen. Er verlangte weitere Nachforschungen. Da war nur noch eins: Barclay musste die Sache seiner Vorgesetzten melden.
    Michael Barclay hielt sich nicht für einen Spion. Er würde nicht einmal sagen, dass er dem Geheimdienst oder dem Sicherheitsdienst angehörte – obwohl er zustimmen würde, dass seine Arbeit sich zu einem Großteil im Wesentlichen um Sicherheit drehte. Wenn man ihn drängte, würde er vielleicht bei der Nennung des Wortes Nachrichtendienstler nicken. Er mochte das Wort. Es bedeutete, eine Menge zu wissen. Und »Nachrichtendienstler« hieß, mindestens genauso viel zu wissen wie alle anderen, wenn möglich mehr. Das war das Problem mit dem Wort »Spion«. Es gehörte in die Vergangenheit, in die Tage des Kalten Krieges und die Zeit davor. In die Zeit, in der man irgendwo eingebrochen und eingedrungen war, mit dem Feind geschlafen, Mikrofilme aufgenommen, Mikrofone in Krawatten versteckt und Botschaften untertunnelt hatte.
    Heutzutage gab es keine Schwarzweißaufteilung der Welt mehr: Jeder spionierte jeden aus. Das war keine weltbewegende Erkenntnis, sondern schon immer so gewesen. Aber heutzutage ging es offener zu. Offener und zugleich verschlossener. Spionagesatelliten waren
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