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Karneval der Alligatoren

Karneval der Alligatoren

Titel: Karneval der Alligatoren
Autoren: James G. Ballard
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anliegenden, kleineren Hauses diente als Anlegestelle. Eine
weiße, halb verrostete Motorjacht lag dort bereits vor Anker. Die Scheiben des
Führerhauses waren gesprungen und verschmiert, aus den Auspufflöchern tropfte
verschmutztes Öl aufs Wasser.
     
    Während Macready den Kutter geschickt
hinter die Jacht steuerte, kletterten die beiden Männer zur Käfigtür und
sprangen dann auf die Mole hinunter. Eine schmale Metallbrücke führte in das
große Haus hinein. Die Wände des Korridors waren glitschig vor Feuchtigkeit,
riesige Schwammflecken breiteten sich auf ihnen aus, aber der Lift – mit einem
Notaggregat betrieben – war noch intakt. Langsam fuhren sie zum Dachgeschoß und
gingen dann über einen Gang nach draußen.
     
    Sie befanden sich jetzt im oberen
Teil eines doppelgeschossigen Dachaufbaus – unter ihnen lag ein Schwimmbecken
mit überdachtem Innenhof, bunte Liegestühle standen im Schatten des
Sprungbrettes. Die gelben Rollos an den Fenstern waren heruntergelassen, aber
man konnte doch im Inneren der Diele blitzende Glas- und Silbergeräte auf
kleinen Tischchen erkennen; alles atmete Kühle und Frische, wie auch die lange,
verchromte Bar unter der Markise am Ende des Hofes. Alles hier wirkte wie
Tausende Meilen entfernt von der fliegenbeschmutzten Vegetation und dem
lauwarmen Wasser zwanzig Stockwerke tiefer, sauber und einladend.
    Jenseits des Schwimmbeckens bot ein
hübscher Balkon Ausblick über die ganze Lagune, die aus dem Dschungel
emporsteigende Stadt, die silbrigen, gegen die blaue Dämmerung im Süden sich
ausdehnenden Wasserflächen. Kompakte Sandbänke erhoben ihre Rücken inmitten
dieser Flächen, gelblicher Pelz auf ihren Gratlinien zeigte das Aufkommen der
ersten Riesenbambusse an.
    Beatrice Dahl ruhte in einem
Liegestuhl, ihr schlanker, geölter Körper glänzte im Schatten wie eine
Pythonschlange. In einer Hand hielt sie ein eisgefülltes Glas, mit der anderen
Hand wendete sie langsam die Seiten einer Zeitschrift um. Die breite,
blauschwarze Sonnenbrille versteckte ihr glattes Gesicht. Kerans sah jedoch,
daß sie die Unterlippe trotzig vorgeschoben hatte. Riggs hatte sie vermutlich
mit seinen Argumenten verärgert.
    Riggs blieb am Geländer stehen und
betrachtete wohlgefällig den geschmeidigen Körper. Beatrice bemerkte ihn, nahm
die Brille ab und befestigte die Halter ihres Bikinioberteils.
    »Na, kommt schon, ihr zwei. Ich bin
doch kein Ausstellungsstück.«
    Riggs lachte und ging die weiße
Treppe hinunter, Kerans folgte ihm. Wie sollte er nur Beatrice dazu bringen,
ihr privates Heiligtum zu verlassen?
    »Mein liebes Fräulein Dahl, Sie
sollten sich geschmeichelt fühlen, daß ich so oft hierher komme«, sagte Riggs,
schob die Markise zurück und setzte sich in einen Liegestuhl. »Außerdem habe
ich als Militärgouverneur dieses Gebiets« – er zwinkerte Kerans zu – »gewisse
Pflichten Ihnen gegenüber. Und umgekehrt.«
    Beatrice sah ihn ärgerlich an und
stellte dann die Radiomusik lauter. »Du meine Güte ...« Sie sah Kerans an. »Und
du, Robert? Was bringt dich so früh am Tag hierher?«
    Er zuckte mit den Schultern und
lächelte sie freundlich an. »Du fehlst mir.«
    »Brav von dir. Ich dachte, der
Gauleiter hätte versucht, dich mit seinen Schauergeschichten zu ängstigen.«
    »Hat er sogar.« Kerans nahm Beatrice
die Zeitschrift von den Knien und blätterte müßig darin herum. Eine Vogue aus
Paris, vierzig Jahre alt, eiskalt anzugreifen, hatte wohl irgendwo im Kühlfach
gelegen. Er ließ das Heft auf die grünen Fliesen fallen. »Bea, offenbar müssen
wir alle in ein paar Tagen von hier weg. Riggs zieht mit seinen Leuten
endgültig ab. Wir können unmöglich allein zurückbleiben.«
    »Wir?« gab sie trocken zurück.
»Ich wußte gar nicht, daß du eventuell auch hierbleiben wolltest.«
    Kerans sah unwillkürlich zu Riggs
hinüber, der ihn anstarrte. »Wollte ich auch gar nicht. Du weißt genau, was ich
meine. In den nächsten zwei Tagen wird eine Menge zu tun sein, versuch also
bitte nicht die Dinge zu komplizieren, indem du dich immer noch kaprizierst.«
    Ehe sie zurückbeißen konnte, sagte
Riggs ruhig: »Die Temperatur steigt immer noch, Fräulein Dahl. Wenn Ihr
Dieselöl zu Ende ist, werden Sie Schwierigkeiten haben, sechzig Grad und mehr
auszuhalten. Die großen äquatorialen Regengürtel ziehen weiter nach Norden, in
ein paar Monaten sind sie hier. Danach, wenn die Wolkendecke weg ist, wird das
Wasser in diesem Becken kochen. Anophelesmücken, Hautkrebs und das
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