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Karneval der Alligatoren

Karneval der Alligatoren

Titel: Karneval der Alligatoren
Autoren: James G. Ballard
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rettete sich noch schnell an
Deck, er sah Dutzende Arme nach oben deuten. Zuerst stand das Wasser auf dem
Platz nur einen knappen Meter hoch, es löschte alle Lagerfeuer aus und
schlappte gegen den Schiffsrumpf, der vom Explosionsdruck immer noch leicht hin
und her schwankte.
    Dann fiel plötzlich der untere Teil
der Sperre herunter, ein gutes Dutzend Sechs-Meter-Stämme sausten auf einmal
ab. Der U-förmige Schlammsattel dahinter brach zusammen, und jetzt erst ergoß
sich eine wahre Kaskade in die Lagune; es sah aus, als fiele ein riesiger
Wasserwürfel aus gut fünfzehn Meter Höhe herunter, wie ein Stück schwabbeliges
Gelee.
    Gebäude stürzten mit dumpfem Krachen
in sich zusammen, das Meereswasser floß in breitem Strom herein.
    »Kerans!«
    Er fuhr herum, als ein Schuß über
seinen Kopf zischte, und sah Riggs vom Hubschrauberlandeplatz herüberlaufen,
mit der Pistole schußbereit in der Hand. Sergeant Daley half gerade Beatrice
aus der Kabine.
    Das Gebäude schwankte unter dem
Anprall der Wassermassen. Kerans stützte sein rechtes Bein mit der Hand und
humpelte hinter einen kleinen Aufbau. Dort zog er seinen Colt hervor, hielt ihn
mit beiden Händen hoch und feuerte zweimal um die Ecke auf Riggs. Beide Schüsse
gingen daneben, aber Riggs wich etwas zurück und nahm Deckung hinter einer
Balustrade.
    Plötzlich hörte er leichte Schritte
über die Terrasse kommen – Beatrice sank vor ihm auf die Knie. »Robert, rasch,
du mußt weg. Schnell, ehe Riggs mehr Leute holt. Er will dich umbringen.«
    Kerans nickte und stand mühsam auf.
»Ich hatte ja keine Ahnung, daß Macready oben patrouillierte. Sag Riggs, daß es
mir leid tut ...« Er machte hilflose Gesten, warf noch einen letzten Blick auf
das schwarze Wasser unten, das jetzt schon durch die obersten Fenster in die
Gebäude rauschte. Das Depotschiff schwamm kieloben, ohne Schaufelräder, es sah
von oben aus wie ein toter Wal. Dampf und Schaum spritze von den explodierenden
Kesseln auf, spritzte beim Rumpf heraus, der im Vorübertreiben an scharfen
Hausvorsprüngen aufgerissen wurde. Kerans beobachtete das Schauspiel mit
Vergnügen; angenehm frischer Tanggeruch stieg von der Lagune auf. Von Strangman
und seiner Mannschaft war nichts zu sehen. Eben wirbelten unten Teile der
zerbrochenen Kommandobrücke und der Schornsteine vorüber.
    »Robert, mach schnell!« Beatrice zog
ihn am Arm und blickte sich dabei ängstlich um – Riggs und Daley hatten sich
weiter gewagt und waren jetzt nur noch fünfzig Meter entfernt. »Wo wirst du
hingehen? Schade, daß ich nicht mit kann.«
    »Nach Süden«, sagte er leise, »der
Sonne zu. Ich werde immer an dich denken.«
    Er umarmte sie, riß sich dann los und
rannte zum farnüberwucherten hinteren Geländer der Terrasse. Als er auf den
Schlammhügel hinausstieg, waren Riggs und Daley ganz nahe gekommen und feuerten
ins Blattwerk. Er duckte sich und rannte zwischen den gewundenen Stämmen
weiter. Der Boden war so weich, daß er bis an die Knie versank.
    Der neugebaute, primitive Katamaran
lag jetzt ganz auf dem Trockenen, er zog ihn mühsam ins Wasser und stieß ab.
    Stotternd fing der Außenbordmotor zu
arbeiten an; Kerans lag völlig erschöpft auf den Planken, während Riggs und
Daleys Schüsse das kleine Dreiecksegel durchlöcherten. Endlich hatte er die
erste Insel erreicht, etwa zweihundert Meter von Riggs entfernt – ein
Sumpfland, das sich auf einem alleinstehenden Gebäude gebildet hatte. Hinter
Gebüsch versteckt, reffte er das Segel und sah sich ein letztes Mal um.
    Riggs und der Pilot waren nicht mehr
zu erblicken, nur Beatrice sah er hoch oben auf dem Gebäude, sie winkte
pausenlos, einmal mit der einen, dann mit der anderen Hand, obwohl sie ihn
unmöglich sehen konnte. Ganz rechts drüben erkannte er das Ritz an seinem grünen
Dach – seine Umrisse verschwammen langsam im Dunst. Nur die Riesenbuchstaben
waren noch zu sehen, die Strangman ihm zum Spott hatte aufmalen lassen – wie
eine Grabinschrift leuchteten sie durch die Dunkelheit über das Wasser:
ZEITZONE.
    Die Gegenströmung verlangsamte seine
Fahrt; als der Hubschrauber nach einer Viertelstunde über ihn dahinbrauste,
hatte er den Rand des Sumpfgebietes immer noch nicht erreicht. Er steuerte sein
Fahrzeug durch das Fenster eines nicht ganz überschwemmten Hauses und wartete
drinnen. Als das Maschinengewehrgeknatter kaum noch zu hören war, fuhr er
weiter und hatte nach einer Stunde endlich das breite Binnenmeer erreicht, auf
dem er nach Süden gelangen
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